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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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und ich beschließen, Nadias Familie monatlich mit 200 Euro zu unterstützen. Das ist etwas weniger als das syrische Durchschnittseinkommen, aber das Doppelte des Vorschlags von Hanna. Es wird der Familie aus dem Gröbsten heraushelfen. Notfalls bis zur Volljährigkeit von Mohammad. Frédéric hat sich durchgesetzt.
    Wenn Demonstranten töten
    Kurz danach bringt Hanna den nächsten Gesprächspartner. Es ist Ibrahim, der Bruder des ersten Todesopfers von Homs. Er lebt mit seiner Familie in einem Dorf, 30 Kilometer westlich von Homs. Ibrahim ist ein kleiner Mann mit kühnem, elegant nach unten gezogenem Oberlippenbart. Er könnte Mitte vierzig sein.
    Sein Bruder Ali Suleiman war 38, als er Mitglied der Wachmannschaft des Offiziersklubs von Homs wurde. Wenige Wochen später, am 25. März 2011, kam es in Homs zur zweiten größeren Demonstration. Eine mit Schlagstöcken und Steinen bewaffnete gewalttätige Gruppe spaltete sich von den friedlichen Demonstranten ab und griff den Offiziersklub an. Sie zündete zwei Autos an, schlug Fensterscheiben ein und riss Bilder Assads herunter.
    Ali stellte sich den Demonstranten entgegen. Das war seine Pflicht. Doch gegen ihre Übermacht hatte er keine Chance. Einige würgten ihn. Dann schlug ihm einer mit einem Backstein von hinten den Schädel ein.
    Über seinen Tod gab es in den internationalen Medien keine Berichte. Er war nur ein Wachmann der syrischen Armee. Doch das Ereignis hatte schwerwiegende Folgen. Die staatlichen Sicherheitskräfte reagierten hart. Nur wenige Stunden später fielen in Homs die ersten Schüsse.
    Zu Alis Beerdigung am nächsten Tag kam das ganze Dorf. Feierlich gelobten alle, Ali nie zu vergessen und gemeinsam für Assad zu kämpfen. Das war vor über 14 Monaten.
    Ich bringe Ibrahim zur Tür. Er ist grau im Gesicht.
    Ahmad aus Hula
    Der nächste Besucher wartet bereits im Hof unseres Hotels. Er kommt aus Hula. Dort hat vor wenigen Wochen, am 25. Mai 2012, eines der bestialischsten Massaker des Bürgerkriegs stattgefunden. Der etwa 30-jährige Mann ist auf komplizierten Umwegen nach Damaskus gekommen. Um sein Leben und das seiner Familie nicht zu gefährden, nenne ich ihn Ahmad. Er steht noch immer unter Schock. Stockend, mit langen Pausen berichtet er, wie er jenen Maitag erlebt hat.
    Nach seiner Darstellung griffen am frühen Nachmittag in der Nähe von Hula Hunderte von Rebellen einen Kontrollposten der Armee an. Die Soldaten riefen eine nicht weit entfernt stehende Armeeeinheit zu Hilfe. Es kam zu schweren Gefechten. Ahmad konnte sie vom Dach seines Hauses aus beobachten. Sie dauerten fast zwei Stunden. Auf beiden Seiten gab es zahlreiche Tote.
    Gegen Ende der Kämpfe machten sich mehrere Dutzend Rebellen zu einer Kommandoaktion nach Hula auf. Als Erstes stürmten sie Ahmads Haus. Sie warfen ihm vor, zum schiitischen Glauben übergetreten zu sein. Sie wollten ihn und seine Familie deshalb ermorden. Ahmad redete verzweifelt auf sie ein. Einige von ihnen kannte er persönlich. Ibrahim Al-Khalid und Dschalil Al-Youssuf zum Beispiel stammten aus Nachbardörfern und hatten mit ihm vor einiger Zeit noch gegen Assad demonstriert. Sie waren politische Freunde.
    Ahmad weinte und flehte, seine Familie zu verschonen. Er sei doch ebenfalls Sunnit und für einen Wechsel im Land. Mithilfe eines Rebellen, der mit ihm demonstriert hatte, gelang es ihm schließlich, die Eindringlinge zu überzeugen, dass er noch immer Sunnit war. Widerwillig ließen sie von ihm ab. Als sie sein Haus verließen, drohten sie, falls er auspacke, seien auch seine Tage gezählt.
    Dann drangen sie in das Nachbarhaus ein, in dem sein Bruder wohnte. Der war 2006 tatsächlich zum schiitischen Glauben übergetreten. Mit Messern wurden er, seine Frau und seine sieben- und zwölfjährigen Kinder ermordet. Ahmad wusste und hörte, was im Haus seines Bruders geschah. Doch er konnte nicht helfen. Sie waren zu viele und alle bewaffnet.
    Anschließend wurden drei weitere Familien mit ihren Kindern tierisch niedergemetzelt. Alle waren Schiiten oder Anhänger des Regimes. Fast 40 Minuten dauerte das mörderische Schlachten.
    In dieser Zeit riefen Einwohner Hulas die Armee zu Hilfe. Die eröffnete das Feuer auf die Eindringlinge. Dabei wurden zahlreiche Rebellen, aber auch zehn Zivilisten getötet. Dann musste sich die Armee zurückziehen.
    Nach dem Abzug der Armee legten die Rebellen die Leichen der vier ermordeten Familien neben die entkleideten toten Soldaten und neben die getöteten Rebellen und

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