Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)
Leichtwasserreaktor, mit einer Leistung von 15 Megawatt. Auf einer Brücke arbeitet ein Wissenschaftler im weißen Kittel an langen Metallstäben, die ins dunkle Wasser ragen. Die Szene erinnert an den James-Bond-Film Der Mann mit dem goldenen Colt . Nur dass unser Bond bleierne Stäbe benutzt.
Für den Forschungsreaktor wird in Natanz Uran auf 20 Prozent angereichert. Für die Bombe würde man eine Anreicherung auf über 90 Prozent benötigen. Nach Angaben der iranischen Regierung werden hier vor allem Isotope zur Krebsbekämpfung gewonnen.
Der Reaktor ist vor 45 Jahren von den USA gebaut worden. Er ist fast schon ein nuklearer Methusalem. An allen Ecken und Enden sieht man ihm sein Alter an. Zu jener Zeit herrschte in Persien noch Schah Mohammed Reza Pahlavi. Die USA vertraten damals die ehrenwerte Auffassung, man müsse bei der Krebsbekämpfung selbstverständlich auch Iran mit Nukleartechnologie helfen.
Vertragsgemäß lieferten sie für den Reaktor in den ersten Jahren sogar auf 93 Prozent angereichertes Uran. Amerikanische Politiker wie Kissinger, Cheney, Rumsfeld und Wolfowitz argumentierten auch später, Iran brauche dringend moderne Nukleartechnologie. 99 Seine Ölvorräte seien begrenzt. Genau diese Argumentation Irans bekämpft die US -Administration heute als unredlich.
Der Rundgang durch den Uralt-Reaktor dauert über eine Stunde. Das also ist das Zentrum des »Reichs des Bösen«, vor dem sich der mächtige Westen angeblich so sehr fürchtet. Nachdenklich sitzen wir mit dem diensthabenden Leiter des fast schrottreifen Reaktors zusammen. Der hochgewachsene Wissenschaftler ist voller Bitterkeit. Er glaubt nicht, dass der Westen fair spiele. Die Nuklearfrage sei nur ein Vorwand, sagt er nach einem langen Gespräch. Wenn dieses Problem gelöst sei, werde das nächste erfunden. Es sei denn, Iran unterwerfe sich dem großen Hegemon USA . Dann schließen sich die Tore des Reaktors hinter uns.
Im vertraulichen Gedankenaustausch sagt mir wenig später ein hochrangiger iranischer Politiker: »Es ist doch stets das gleiche Spiel. Die amerikanischen Cowboys wollen die Welt nach ihren Vorstellungen gestalten. Wir werden dafür bestraft, dass wir nicht mitspielen.« Immer wenn Iran weitreichende Zugeständnisse mache, werde das Land mit lächerlichen Zugeständnissen, mit »Candies«, abgespeist. Kürzlich hätten die USA angeboten, wenn Iran alle Forderungen akzeptiere, werde man mithelfen, dass das Land eines Tages in die Welthandelsorganisation aufgenommen werde, besseren Internetzugang und Agrarhilfe bekomme. Iran sei doch kein Entwicklungsland.
Er räumt ein, dass Iran, wie andere Länder, in der Nuklearfrage auch Fehler gemacht habe. Aber man habe diese Fehler stets korrigiert. Die Internationale Atomenergiebehörde habe dies ausdrücklich anerkannt. Die iranische Regierung sei bereit, eine »faktische und vertragliche Totalgarantie gegen den Bau der Bombe« zu geben. Im Gegenzug müsse der Westen jedoch klarmachen, dass Iran die gleichen Rechte habe wie andere Staaten, und die Sanktionen aufheben. Die Respektierung der »nationalen Würde« sei für viele Iraner ein wichtiger, vielleicht sogar der wichtigste Punkt. Das sei nach 33 Jahren gezielter Demütigung eigentlich verständlich.
Dann erinnert mich mein Gesprächspartner an eine Rede Barack Obamas aus dem Jahr 2008. Obama hatte damals als Präsidentschaftskandidat erklärt: »Starke Präsidenten sprechen auch mit ihren Gegnern.« Kennedy habe mit Chruschtschow gesprochen, Nixon mit Mao und Reagan mit Gorbatschow. Iran sei keine Bedrohung wie einst die Sowjetunion. So Obama 2008.
Man habe diese Rede in Teheran ernst genommen und den USA – wie ich genau wisse – konkrete und weitreichende Vorschläge gemacht. »Das Ergebnis kennen Sie«, fährt mein Gesprächspartner fort: »Unsere Nuklearanlagen wurden mit Computerviren angegriffen, alle paar Wochen werden uns Militärschläge angedroht, und die Sanktionen wurden derart verschärft, dass heute selbst Krebs- und Multiple-Sklerose-Medikamente nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen. Außerdem wurden fünf unserer Nuklearwissenschaftler ermordet. Glauben Sie, dass man auf dieser Basis Frieden schaffen kann?«
Ich erwidere, dass die Provokationen Ahmadinedschads leider auch nicht hilfreich gewesen seien. Doch mein iranischer Gesprächspartner schüttelt den Kopf. Vor Ahmadinedschad habe man mit Chatami einen äußerst versöhnlichen Präsidenten gehabt. Er glaube nicht an faire
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