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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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Verhandlungen.
    Etwas ungeduldig sage ich: »Sie müssen diese Chance einfach ergreifen. Ihr Land ist doch nicht Nordkorea. Wie lange soll dieser lebensgefährliche kalte Krieg denn noch dauern?« Mein Gesprächspartner schaut mich nachdenklich an. »Sie haben wahrscheinlich recht. Aber wir wollen auch nicht Südkorea sein. Wir wollen kein Vasall der USA werden. Amerika hat schon genug Vasallen.«
    Die Witwe des Atomforschers
    Mansoureh Karami lebt in einem gepflegten Haus. Die Böden sind mit wertvollen Perserteppichen ausgelegt. Überall stehen Fotos ihres verstorbenen Mannes. Er sah gut aus, mit seiner hohen Denkerstirn, seinen langen, dunklen Haaren und seinem kurz geschnittenen, leicht angegrauten Oberlippenbart. Ein wenig wie ein Künstler. Ein Mann im besten Alter.
    Fast lautlos betritt Mansoureh den Raum. Sie reicht jedem von uns einen Früchteteller mit einer Grapefruit, einer Banane und einer Persimone, einer tomatenähnlichen Frucht. Leise beginnt sie, die Geschichte ihres Mannes zu erzählen.
    Massoud Ali Mohammadi war ihre große Liebe. Und ein Spaßvogel. Er machte so gerne Scherze, dass manche sich nicht richtig vorstellen konnten, dass er Nuklearwissenschaftler und Professor für Elementarphysik war. Außerdem war er ein Familienmensch. Immer wenn er einen wissenschaftlichen Artikel veröffentlicht hatte, feierte er das Ereignis mit der ganzen Familie und führte sie zum Essen aus. Fünfundfünfzig wissenschaftliche Beiträge habe er geschrieben. Die Familie hatte viel zu feiern.
    Während der letzten vier Jahre vor seinem Tod bekam er oft seltsame Anrufe und Schreiben. Einer seiner Kollegen wurde in Großbritannien 24 Stunden lang festgenommen und nach Mohammadis Aktivitäten befragt. Auf einer Mekka-Reise bekam er Hinweise, dass er überwacht werde. Nach seiner Rückkehr stellten ihm Unbekannte am Telefon erstaunlich präzise Fragen zu seiner Arbeit. Die Botschaft lautete im Grunde stets: Sieh dich vor, wir beobachten dich.
    Seine Frau glaubt, dass die meisten Anrufe und E-Mails von den Mudschaheddin Al-Khalq ( MEK ) kamen, die von der EU bis 2009 als Terrororganisation eingestuft wurden. Die MEK operierten vom Norden des Irak aus. Durch Anschläge versuchten sie, Iran zu destabilisieren.
    Zehn Tage vor dem Anschlag erhielt Massoud Ali Mohammadi eine E-Mail zur Nuklearproblematik. Die Verfasser forderten ihn auf, zu allen Punkten konkret Stellung zu nehmen. Mit stockender Stimme fährt Mansoureh fort:
    »Am 12. Januar 2010 sind wir wie immer um 6 Uhr aufgestanden und haben das Morgengebet verrichtet. Dann habe ich sein Frühstück zubereitet: Tee, Käse und Nüsse. Normalerweise frühstückten wir zusammen. Doch an diesem Tag, ich weiß nicht, warum, habe ich mich noch mal ins Bett gelegt. Ich bin sofort eingeschlafen. Mein Mann frühstückte alleine und las Nachrichten im Internet. Danach packte er seine Aktentasche und kam zu mir ins Schlafzimmer. Schmunzelnd fragte er, ob er heute kein Mittagessen bekomme. Ich bin sofort aufgesprungen und habe sein Essen fertig gemacht. Etwas Fleisch und Brot. Dann habe ich ihn in den Hof begleitet.
    Da das Fahrzeug meiner Schwester draußen direkt vor der Ausfahrt stand, musste Massoud erst auf die Straße, um ihren Wagen wegzufahren. Dann kam er zurück, um sein eigenes Auto zu holen. Er verstaute die Aktentasche und das Essen im Wagen und verabschiedete sich. Doch irgendetwas hielt ihn zurück. Er machte noch eine Runde im Garten und schaute sich dieses und jenes an. Dann verabschiedete er sich ein zweites Mal. Vorsichtig fuhr er den Wagen auf die Straße und schloss langsam das Tor. Er wollte niemanden wecken. Dabei sah er, dass ich noch immer in der Haustür stand. So verabschiedete er sich lächelnd ein drittes Mal.
    Sekunden später gab es eine gewaltige Explosion. Es war wie ein Erdbeben. Dichter Rauch stieg auf. Ich stand noch in der Haustür. Glassplitter regneten auf mich herab.
    Ich rannte sofort raus. Er saß vor seinem Auto. Still und vornübergebeugt. Den Kopf hatte er in seine Hände gelegt. Ich dachte, dass er vielleicht nur einen Schock hätte und ansonsten unverletzt sei. Doch als ich seinen Kopf in die Arme nahm, sah ich, dass ein Teil seines Gesichts weggerissen war. Ich begriff, dass er tot war. Der dritte Abschied war ein Lebewohl für immer. Ich habe laut aufgeschrien.«
    Mansoureh kämpft lange mit ihren Gefühlen. Dann erzählt sie weiter:
    »Meine damals 20-jährige Tochter war durch die Explosion und das zersplitternde Glas aufgewacht.

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