Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)
egal, was die Falken in seinem Lager darüber dachten. Und dass er damit sein Leben riskierte. Die beiden großen Männer schafften einen historischen Frieden zwischen Ägypten und Israel, der bis heute hält.
Müsste nicht gerade Benjamin Netanjahu den Mut zu einem derartigen Schritt haben? Er könnte militärisch aus einer Position der Stärke verhandeln. Niemand könnte ihm vorwerfen, ein »Weichei« zu sein. Vielleicht können nur Hardliner einen solchen Big Deal , eine große Lösung, schaffen. Welch ein Raunen und Staunen ginge durch die Welt, wenn Netanjahu diesen Schritt wagte! Welch eine Welle der Begeisterung und der Bereitschaft würde einsetzen, ihm und seinen iranischen Gesprächspartnern bei der Lösung des Konflikts zu helfen!
Ich merke, dass ich anfange zu träumen. Doch es gab immer wieder Politiker, die den Mut zu derart außergewöhnlichen Schritten hatten. Kissinger, Genscher, Bahr! Warum gibt es keine mutigen Politiker mehr?
Schabbat in Teheran
Es dämmert schon, als wir in Teheran ankommen. Wir können gerade noch unser Gepäck im Hotel abgeben, da holt uns schon Ciamak Moresadegh zur Schabbat-Feier ab. Schweigend fahren wir durch das regengraue Teheran.
Ciamak deutet auf einige Häuser. Sie zeigen meterhohe Wandporträts junger Iraner, die im Krieg gegen den Irak gefallen sind. Dieser zehn Jahre dauernde Krieg hat Hunderttausende Iraner das Leben gekostet. Noch heute gibt es in Iran unzählige Opfer der chemischen Waffen Saddam Husseins. Auch Deutschland hatte ihm Bestandteile dieser Waffen geliefert. Die Menschen in Iran wissen, was Krieg bedeutet. Anders als mancher westliche Politiker. Niemand hier will Krieg.
Als wir die unscheinbare Yusef-Abad-Synagoge betreten, ist sie schon brechend voll. Alle stehen auf, als wir durch die Reihen nach vorne gehen. Moresadegh genießt offenbar hohes Ansehen. Und Gäste aus Deutschland auch. Dann feiern wir zusammen mit 400 jüdischen Iranern das Schabbat-Fest. Während des gesamten Gottesdienstes habe ich Gänsehaut.
Tosend, donnernd singen die Männer mit den markanten Gesichtern ihre hebräischen Lieder. Die Stimmen der links und auf der Empore sitzenden Frauen bilden einen hinreißenden klanglichen Gegenpart. Es ist ein ergreifendes Erlebnis – Gottesdienst in Teheran mit jüdischen Iranern!
Moresadegh fährt uns zurück ins Hotel. Er hofft, dass die Nukleargespräche doch noch zu friedlichen Ergebnissen führen. Wenn Iran allerdings angegriffen werde, werde auch er seine iranische Heimat verteidigen. Gegen jeden Feind, egal, woher er komme. Auch gegen Israel.
Im Uralt-Reaktor von Teheran
November 2012. Schon auf dem Rückflug von meiner letzten Reise wusste ich, dass ich noch einmal zurückmusste. Wie bei vielen meiner Reisen. Ich wollte eine dieser Atomanlagen besichtigen, vor denen die Welt zittert. Und mit der Familie eines ermordeten Nuklearwissenschaftlers sprechen.
Kurz vor meinem Abflug tauchte in der New York Times das Gerücht auf, zwischen den USA und Iran habe es heimlich direkte Gespräche gegeben. Beide Seiten dementierten sofort. Nach intensiven Recherchen erfuhr ich, dass es in Mascat, der Hauptstadt des Sultanats Oman, tatsächlich eine amerikanisch-iranische Begegnung gegeben hatte. Beide Seiten hatten versucht herauszufinden, ob es sich lohne, miteinander zu sprechen.
Die amerikanische Delegation war allerdings protokollarisch so schlecht besetzt, dass der iranische Delegationsleiter, ein Vizeaußenminister, resigniert in seinem Hotel blieb. Der erste Anlauf war gescheitert.
Wenig später bat mich ein Mitglied der deutschen Bundesregierung um ein Gespräch. Die amerikanische Seite wollte wissen, wer der richtige Ansprechpartner in Teheran sei. Ob ich das über meine Irankontakte in Erfahrung bringen könne. Die Frage war beispielhaft für das vor mehr als drei Jahrzehnten zerbrochene Verhältnis zu Iran. Natürlich versprach ich, die Frage zu klären.
Am Tag nach der Wiederwahl Barack Obamas im November 2012 brachen Julia, Frédéric und ich nach Teheran auf. Wir flogen in einem alten Klappervogel, der von einer Turbulenz in die andere rauschte.
Um 2 Uhr morgens landeten wir erschöpft in der iranischen Hauptstadt. Julia, die sich auf meinen Wunsch hin äußerst diskret gekleidet hatte, stellte beim Aussteigen fest, dass sie ihr Kopftuch vergessen hatte. Hektisch schlang sie ihren Pullover um ihre dezent dunkel gefärbten Haare. In ihrem langen Kleid, ihrem kaum kürzeren Mantel und ihrer hellen Haut sah sie wie eine
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