Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)
kommen wir mit einem quirligen Arzt ins Gespräch. Er heißt Salem und ist bekennender Anhänger Assads. Er schwärmt von diesem und von den Freiheiten seines Landes. In Damaskus werde man mich wie immer herzlich empfangen. Die Berichterstattung über Syrien beruhe auf einer »Verschwörung«. Da mich Verschwörungstheorien ermüden, schließe ich die Augen und schlafe ein. Nun muss sich Julia mehrere Stunden mit Salems Theorien auseinandersetzen. Sie ist, nachdem ihr Koffer und vor allem ihre Festplatten verschwunden sind, Verschwörungstheorien gegenüber aufgeschlossen.
Endlich landen wir in Damaskus. An den Wänden und Säulen des Flughafens hängen Bilder Assads. Viele der Fotos sind unvorteilhaft. »Vielleicht ist sein Fotograf Anhänger der Opposition«, meint Julia. Dann geht es zur Passkontrolle. Julia wird freundlich durchgewinkt.
Doch bei mir verfinstert sich das Gesicht des Grenzbeamten. Immer wieder blickt er auf seinen Computer. Dort muss etwas Unangenehmes stehen. Ein Mitarbeiter des Geheimdienstes kommt hinzu. Mit strengem Blick bittet er mich, ihm zu folgen. Ich werde in ein Polizeibüro geführt. Dort fordert er mich auf, Platz zu nehmen. Ich weise darauf hin, dass ich dazu keine rechte Lust hätte und jetzt gern in mein Hotel ginge. Doch die Beamten erklären trocken, dass ich den Raum nicht verlassen dürfe.
Inzwischen ist auch der deutsch-syrische Assad-Fan im Vernehmungszimmer eingetroffen. Er ist erregt. Immerhin hatte er mir einen besonders herzlichen Empfang versprochen. Mit Händen und Füßen redet er auf die Beamten ein. Man flüstert ihm etwas ins Ohr, doch er schüttelt zornig den Kopf. Immer mehr Beamte schalten sich ein.
Salem besteht darauf, telefonieren zu dürfen. In Berlin ver sucht er, den syrischen Botschafter und in Damaskus den Außen minister oder wenigstens den Vizeaußenminister zu erreichen. Er scheint nicht erfolgreich zu sein. Es ist schon nach 23 Uhr, und irgendwann gehen auch syrische Minister schlafen. Salem gibt nicht auf.
Zwischen zwei Telefonaten rückt er mit der Sprache heraus. Der mächtige »Politische Geheimdienst« Syriens habe gegen mich ein Einreiseverbot verhängt. Wegen eines regimekritischen Artikels, den ich über Syrien geschrieben hätte. Eigentlich konnte das nur ein Artikel in der Wochenzeitung Die Zeit sein. Dort hatte ich über meine Reise nach Daraa berichtet. Salem macht ein besorgtes Gesicht. Der Fall scheint nicht einfach zu sein. Ich schaue mich schon mal nach einem sauberen Plätzchen um, wo ich bis zur Abschiebung am nächsten Morgen ein paar Stunden schlafen könnte.
Julia unternimmt einen letzten Versuch. Aus ihrer Handtasche kramt sie die arabische Version meines Buchs Warum tötest du, Zaid? hervor. Sie gibt es einem der Beamten. Der reicht es erstaunt seinen Kollegen. Als sie das Foto des Märchenerzählers von Damaskus, Abu Schadi, sehen, strahlen sie. Alle blicken mich auf einmal freundlicher an. Es tut ihnen plötzlich fast leid, dass sie mich nicht ins Land lassen dürfen. Viele Araber scheinen es als ungewohnte Respektbezeugung anzusehen, wenn ein Westler ein Buch in ihrer Sprache veröffentlicht.
Plötzlich klingelt das Telefon des Leiters der Grenzbehörde. Er hebt den Hörer ab und nimmt Haltung an. Er nickt mehrfach fast militärisch, dann legt er auf. »Der Außenminister«, sagt er ergriffen und schaut mich dankbar an. Noch nie hat ihn ein Minister angerufen. Salems wütende Anrufe hatten Erfolg gehabt. Wahrscheinlich hatte er mich in den Rang eines hohen Staatsgastes erhoben. Irgendjemand hatte daraufhin erschrocken den Außenminister aus dem Bett geholt. Zufrieden wischt sich Salem den Schweiß aus dem Gesicht.
»Ein Irrtum, ein großer Irrtum«, sagen nun alle und laden uns zu einer Tasse Tee ein. Nur Salem spricht nicht von Irrtum. »Man hat Sie beim Politischen Geheimdienst angezeigt«, sagt er. »Sie müssen schauen, dass der Vermerk des Geheimdienstes gelöscht wird. Der liegt jetzt allen Dienststellen des Landes vor. Sie gelten als Staatsfeind.« Es ist ein eigenartiges Gefühl. Hier bin ich »Staatsfeind«. In Deutschland wird mir das Gegenteil vorgeworfen.
Übermüdet verlassen wir den Flughafen. Mitternacht ist längst vorbei. Salem ist noch immer außer sich. Wie konnte man seine euphorische Schilderung der Freiheiten Syriens so drastisch widerlegen? Das werde er so nicht stehen lassen, erklärt er zornig. In ein paar Tagen habe er zusammen mit einem Dutzend anderer Persönlichkeiten eine Audienz bei
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