Du wirst die Schoenste sein
voluminöses Hawaii-Hemd mit wildem Blumenmuster wallte über seinem kugeligem Bauch. Mit dem Ruf „subito, subito!“ klatschte Ernesto in die Hände und so setzten René und ich uns in Bewegung.
Im bereits bekannten Badezimmer schloss René energisch die Tür hinter uns, baute sich dann vor mir auf, mit kühlem, geradezu verächtlichem Blick.
„Thea, was soll das? Ich dachte, ich trau meinen Augen nicht ... ich dachte, du bist längst raus aus diesem Scheiß.“
Das kam derart unerwartet, dass ich René nur sprachlos anstarren konnte.
„Thea, ich bitte dich, hau ab! Hau auf der Stelle ab!“ Er umfasste mit beiden Händen mein Gesicht und sah mir geradezu beschwörend in die Augen.
Ich befreite mich aus seinem Griff und sagte so ruhig wie möglich: „Ich hab das Gefühl, du bist nicht so ganz auf dem Laufenden.“
„Ach nein?“
„Nein. Ernesto und ich sind ... was du ja nicht wissen kannst ... wir sind zusammen, verstehst du? Und dieses bescheuerte Spiel gibt’s nicht mehr.“
René schlug in einer dramatischen Geste die Hände vors Gesicht. „Gibt’s nicht mehr. Ich fass es nicht. Soll ich dir mal was sagen? Ernesto hat mich für die fünfte Spielrunde herbestellt. Motto: „Karneval in Rio”. Und zwar ausdrücklich mit den Worten: die fünfte Runde, die letzte also und dass es da zur Sache geht, dürfte ja wohl klar sein. Keine Ahnung, was genau da abgeht ... ich war nie dabei. Immerhin geht es um die dicke Kohle. Übrigens, dein Name fiel nicht, als Ernesto anrief. Und ich dachte noch, welche arme Sau braucht so dringend Knete, aber dass du ...“
„René, du spinnst. Aber total. Es gibt keine fünfte Runde. »
„Gab ja auch keine dritte und vierte, was?“
Doch, eine dritte gab es. Ich erinnerte mich, dass Ernesto meine verkorkste Tischbeinnummer als dritte Spielrunde eingestuft hatte. Da es aber eine vierte nicht gegeben hatte, konnte es auch keine fünfte geben. Also wollte ich auch nicht länger sinnlos mit René herum diskutieren. Ich war viel zu neugierig auf die versprochene Überraschung und hatte es deshalb eilig. Ich setzte mich vor den Schminktisch und bat René, mit seiner Arbeit anzufangen. Im Spiegel sah ich René mit den Schultern zucken.
„Thea, ich hab dich gewarnt.“
Danach schwiegen wir beide. Ich beobachtete geradezu ungeduldig, wie René mir ein kräftiges, ja knalliges Make-up mit kräftigem blauem Lidschatten und künstlichen Wimpern verpasste. Meine Haare drehte er zu einem Dutt und darüber kam eine dunkle Langhaarperücke, die er mit glitzerndem Kopfschmuck krönte.
„Das war’s“, sagte René und räumte die Make-up-Utensilien in die Schublade zurück. „Mit dem Fummel wirst du wohl allein fertig.“ Er deutete auf kleines Knäuel Stoff mit farbigen Steinchen besetzt, das neben dem Waschbecken lag.
„Okay, alles klar. Danke René.“ Ich stand auf, um mich zu verabschieden, aber René war bereits an der Tür und zog sie mit den Worten hinter sich zu: „Ich kann dir nur raten, pass auf dich auf!“
„Blöder Kerl“, schickte ich ihm murmelnd hinterher und sah mir dann den sogenannten Fummel an und beschloss spontan: nein, das ging nun wirklich nicht. Ein String-Tanga, der knapper nicht sein konnte und ein BH, der quasi nur aus ein paar dünnen Schnüren bestand. Zwar alles kunstvoll mit Steinchen in allen Regenbogenfarben bestückt, aber momentan ging so etwas eben nicht. Die tief blauen, ja teilweise schwarzen Blutergüsse auf meinem Körper hatten sich mittlerweile ekelhaft gelblich verfärbt. Das hoch geschlossene Sommerkleid, das ich trug, war vielleicht ein wenig spießig, aber ideal zum Verdecken dieser hässlichen Stellen.
Ich verließ ebenfalls das Badezimmer und ging den Flur entlang in Richtung Terrasse. Dabei kam ich an der Treppe ins obere Stockwerk vorbei und plötzlich hatte ich Lust, mal kurz nachzuschauen, ob die wirklich schönen, ästhetischen Fotos, auf denen ich als gefangener Paradiesvogel zu sehen war, noch dort oben hingen. Leise huschte ich die Treppe hinauf und öffnete die Tür zum ehemaligen Fotostudio.
Ich sah auf den ersten Blick, dass nichts Ästhetisches mehr an den Wänden hing sondern Grauenvolles. Riesige schwarz-weiß Fotos mit teilweise tiefem Schatten, die aber dennoch überdeutlich das Motiv erkennen ließen. Zwei Männer in entsetzlicher Aktion, ihr Opfer: eine Frau vor einer Hauswand. Einer der Männer, groß, kräftig, mit hässlich wulstigen Lippen, der andere kleiner und jünger und mit einer
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