Du wirst die Schoenste sein
Thema reden würde.
Am Donnerstag, meinem freien Tag also, war es dann soweit, meine Mutter traf ein. Mit roten Flecken im Gesicht, entweder vor Aufregung oder wegen der ungewohnten Hitze, stolperte sie die Stufen am Bus herunter und wir lagen uns in den Armen. Feuchte Augen auf beiden Seiten. Ich musste sie gleich noch mal ganz fest drücken.
Und wie ich gehofft hatte, befand sich ihr Zimmer tatsächlich auf der Schmalseite des Hauses, mit wunderbar direktem Blick auf Strand und Meer. Auf einen nahezu leeren Strand, es ging auf sechs Uhr zu, die Hotelgäste waren auf ihren Zimmern, um sich für den Abend aufzubrezeln. Mit strahlendem Blick stand meine Mutter auf dem Balkon und sah hinunter und dann in die Ferne und was sagte sie schließlich: „Wenn das dein Papa sehen könnte.“
Ich warf mich lachend aufs Bett. Herrgott, war das herrlich, dass meine Mutter da war. Dabei war ich mir nicht einmal sicher, ob das Personal sich überhaupt in einem der Gästezimmer aufhalten durfte. Aber ich setzte auf meinen momentanen Sonderstatus.
Später, im Speisesaal, saß ich zusammen mit meiner Mutter am gewohnten Tisch, am Personaltisch quasi, und stellte ihr Agnes vor. Die konnte sich natürlich nicht verkneifen, ein „sieht aus wie deine Schwester“ von sich zu geben. Tatsächlich ähnelten wir uns kaum, meine Mutter war kleiner als ich, blonder mit ihren kurzen gesträhnten Haaren, aber insgesamt eine chice, noch jung wirkende Frau.
Zu dritt marschierten wir an die Büffets. Agnes pries ihr etwas als besonders lecker an und ich wieder etwas anderes und so hatte meine Mutter bald ein wahres Sammelsurium auf ihrem Teller und natürlich folgte daraufhin das typische Frauenthema: überflüssige Kilos. Wobei meine Mutter das große Wort führte, regelrecht aufgekratzt, schließlich war für sie heute Abend alles neu und aufregend. Mir ging einmal kurz die Frage durch den Kopf, ob Mütter spürten, wenn ihr Kind ein fürchterliches Geheimnis mit sich herum trug und gab mich deshalb betont unbeschwert und sorglos und da Agnes sich heute nicht mit ihrem Roddy traf, sahen wir uns nach der Mini-Disco zu dritt die Ledermodenschau an, die jeden Donnerstag bei uns im Hotel stattfand.
Ich bedauerte nur, dass meine Mutter an meinem nächsten freien Tag schon nicht mehr da war und wir deshalb nichts zusammen unternehmen konnten. Ich schlug ihr deshalb die eine oder andere Bustour vor, die im Hotel gebucht werden konnte, aber davon wollte sie nichts wissen. Sie sei ausschließlich meinetwegen da und nicht wegen irgendwelcher Sehenswürdigkeiten und damit basta.
Und tatsächlich beteiligte sie sich bereits am nächsten Tag an allen Spielen, die ich organisierte. Ob Jakkolo, Shuffle Board oder Darts, meine Mutter probierte alles aus. Sie schaffte zwar keinen Sieg, aber sie wurde von Tag zu Tag besser. Und in der Kid’s Time saß sie bei einer Tasse Kaffee an der Poolbar und schaute den Kleinen und Agnes und mir zu. Im übrigen machte sie kein Geheimnis aus unseren verwandtschaftlichen Beziehungen. Kontaktfreudig wie selten zuvor, klärte sie Kreti und Pleti darüber auf, welche der beiden charmanten Animateurinnen – Originalton meiner Mutter – ihre Tochter sei.
Die Besichtigung unserer Unterkunft schob ich so lange es irgendwie ging hinaus, aber wie Mütter nun mal sind, natürlich wollte sie unbedingt sehen, wie ihre Tochter untergebracht war. Bereits auf dem Weg dorthin, es war ihr letzter Abend, ließ ich Bemerkungen wie „typisch spanisch eben“ und „reichlich abgewohnt“ fallen und kaum hatte meine Mutter einen Blick in die zweieinhalb Zimmer geworfen, sagte sie dann auch: „Typisch spanisch. Du hast recht.“
Verglichen mit ihrem Hotelzimmer wirkte unsere Wohnung natürlich geradezu armselig. Ernestos Rosen hatte ich leider bereits nach zwei Tagen entsorgen müssen, da sie die Köpfe hängen ließen.
Ich führte gerade mein Zimmer vor, als sich mein Handy meldete.
„Geh mal ran. Vielleicht ist es dein Papa“, sagte meine Mutter.
Es war Ernesto.
„Ja, alles okay. Nur im Moment passt es schlecht. Ich ruf dich später an“, sagte ich. Vermutlich klang ich ziemlich hektisch. Meine Mutter winkte zwar ab und machte sich Richtung Tür auf, aber ich hatte mein Gespräch bereits beendet.
Danach hatten wir eigentlich zurück zum Hotel wollen, wo heute Nacht eine Travestie-Show stattfand, aber meine Mutter schob mich zu einem der Tische einer Kneipe in der Fußgängerzone.
„Ach Kind“, sagte sie mit
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