Du wirst die Schoenste sein
Tanzfläche gewesen sei, nachdem er mit Jaime, einem Bekannten, erfolgreicher Galerist, raus gegangen war.
Ich schwieg. Der Übergang von der Ankündigung einer Überraschung zu jener Horrornacht kam mir zu plötzlich.
„Schau“, sagte Ernesto, wobei er eine Hand auf mein linkes Knie legte. „Ich weiß im Grunde nur das, was ich vom Geschäftsführer des EL FUEGO erfahren hab. Dass man dich halbtot aufgefunden hat, dass du vergewaltigt wurdest, dass es sich um zwei Männer ...“
„Ernesto, bitte ...“
„Ich muss doch einfach wissen, was ...“
Ich unterbrach ihn erneut. „Es ist vorbei ... ich hab überlebt.“
„Ja, ja, rein physisch scheint ja alles okay, aber was ist mit der Psyche? Es ist doch bekannt, dass nach einer Vergewaltigung psychische Probleme, eine Art Trauma auftreten können. Andrea, du musst darüber reden, wie willst du die Sache sonst verarbeiten?“
In mir kam Trotz auf. „Aber nicht heut Abend.“
Ich legte Ernesto ebenfalls eine Hand auf sein Knie. „Erzähl mir von der Überraschung.“
Aber Ernesto ging nicht darauf ein. „Ich mach mir wirklich Sorgen.“
Dass er nicht übertrieb, wurde mir klar, als er kurz danach erneut auf jene schreckliche Nacht zurückkam, indem er über seine Mitschuld redete.
„Wenn ich Idiot nicht rausgegangen wäre ...“
„Und wenn ich brav zu Hause geblieben wäre.“ Ich spürte selbst, dass ich zu heftig geworden war. Unser gemeinsames Schweigen danach empfand ich als bedrückend, weshalb ich hektisch nach einem unverfänglichen Thema suchte. Der Besuch meiner Mutter erschien mir bestens geeignet. Ernesto lachte laut auf, als ich von der Kontaktfreudigkeit meiner Mutter berichtete, mit der sie Agnes und mir weitere Teilnehmer an unseren Angeboten verschaffte.
Auf halber Strecke etwa hielt Ernesto an und wir stiegen bei einer Bodega aus, in der noch Licht brannte. Ernesto war dort offenbar Stammkunde, ein kleiner, rundlicher Mann begrüßte ihn erfreut mit seinem Namen. Seinem Nachnamen. Señor Ssutz oder so ähnlich. Was mich daran erinnerte, dass ich Ernestos vollständigen Namen immer noch nicht kannte. Ich nahm mir vor, danach zu fragen, was sich jedoch erübrigte. Als wir mit einigen Kartons mit Weinflaschen im Kofferraum weiter fuhren, landete die Rechnung mit Namen und Anschrift auf der Ablage direkt vor mir. Ernesto Sulz entzifferte ich. Möglicherweise hieß Ernesto also Ernst Schulz. Na gut, dafür konnte er nichts.
Danach versuchte ich erneut, Näheres über die versprochene Überraschung zu erfahren. „Du überrascht mich also mit irgendwas Wunderbarem sobald wir bei dir sind?“
„Richtig.“
„Vielleicht mit einem ganz besonderem Essen? Hast du einen Spitzenkoch engagiert?“
„Falsch.“
„Ist es ein Geschenk?“
„Könnte man sagen.“
Danach gab ich auf. Mehr würde Ernesto ohnehin nicht rauslassen, außerdem hatten wir es nicht mehr weit. Wir fuhren bereits durch ein Touristenzentrum, im Schritttempo, da alles was Beine hatte, noch unterwegs war. Danach, nach dem trubeligen Rummel erschien mir die Fahrt hügelaufwärts durch dichte Vegetation, angestrahlt von einem fast perfekten Vollmond, so romantisch, dass ich näher zu Ernesto rutschte und meinen Kopf an seine Schulter lehnte.
Die Auffahrt zu seinem Haus war nur spärlich beleuchtet, auch die meisten Räume lagen im Dunkeln. Ernesto und ich würden also endlich einmal allein sein. Ich hatte es gehofft, es machte mich aber auch nervös – unser erstes Mal, unsere erste gemeinsame Nacht. Als ich jedoch die Stufen zur Haustür hinauf stieg, entdeckte ich ein mir wohl bekanntes Auto am unbeleuchteten Rand der Einfahrt. Das Auto von René. Ich vermutete, seine Anwesenheit habe mit Ernestos Überraschung für mich zu tun und der Gedanke amüsierte mich, dass René mich zu einer „Königin der Nacht“ oder etwas ähnlichem herrichten sollte.
Da hinter mir ein hola zu hören war, drehte ich mich um. Miguel winkte mir mit einem Lächeln zu und lud dann die Weinkartons aus dem Kofferraum.
René kam uns im Haus entgegen. Ich tat überrascht und wandte mich Ernesto zu.
„Hab ich dir nicht eine Überraschung versprochen?“ Dabei lächelte er. Ich lächelte zurück. Glücklich, ja ich war glücklich in dem Moment. Der Trip nach Ibiza war solch eine wunderschöne Überraschung gewesen, dass ich sicher sein konnte, auch diesmal hatte Ernesto sich etwas ganz Besonderes für mich ausgedacht.
René und ich wechselten die obligatorischen Wangenküsse, ein
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