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Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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denselben Weg zurückschritt. Er kam sehr langsam auf uns zu, wobei erfortwährend mit seinem Stock auf den Boden klopfte, so langsam, dass ich dachte, er suche etwas im Gras.
    Er blieb stehen, als er auf unserer Höhe war, und wünschte uns Guten Tag. Wir erwiderten den Gruß, und er setzte sich zu uns auf die Böschung, langsam und sehr bedächtig. Er fing an, vom Wetter zu reden, und sagte, es werde einen sehr heißen Sommer geben, und er fügte hinzu, die Jahreszeiten hätten sich sehr geändert, seit er ein Junge gewesen sei – vor langer Zeit. Er sagte, die glücklichste Zeit im Leben sei zweifellos die Schulzeit, und er gäbe alles dafür, wieder jung zu sein. Während er diese sentimentalen Gedanken äußerte, die uns ein wenig langweilten, schwiegen wir. Dann fing er an, über die Schule und über Bücher zu reden. Er fragte uns, ob wir die Gedichte von Thomas Moore und die Werke von Sir Walter Scott und Lord Lytton * gelesen hätten. Ich tat so, als hätte ich jedes Buch gelesen, das er erwähnte, sodass er schließlich sagte:
    – Ah, ich merke, du bist genauso ein Bücherwurm wie ich. Aber, und dabei deutete er auf Mahony, der uns mit großen Augen ansah, der ist anders; der macht sich mehr aus Spielen.
    Er sagte, er habe sämtliche Werke von Sir Walter Scott und sämtliche Werke von Lord Lytton zu Hause und werde nie müde, darin zu lesen. Allerdings, sagte er, gebe es gewisse Werke von Lord Lytton, die Jungen nicht lesen sollten. Mahony fragte, warum Jungen sie denn nicht lesen sollten – eine Frage, die mich schmerzlich und peinlich berührte, weil ich befürchtete, der Mann könnte mich für genauso dumm halten wie Mahony. Der Mann lächelte aber nur. Ich sah, dass in seinem Mund große Lücken zwischen seinen gelben Zähnen klafften. Dann fragte er uns, wer von uns die meisten Liebchen habe. Mahony gab locker an, er habe drei Schnepfen. Der Mann fragte mich, wie viele ich hätte. Keine, erwiderte ich. Er glaubte mirnicht und sagte, eine hätte ich doch bestimmt. Ich blieb still.
    – Sagen Sie mal, sagte Mahony frech zu dem Mann, wie viele haben Sie denn selbst?
    Der Mann lächelte wie zuvor und sagte, in unserem Alter habe er eine Menge Liebchen gehabt.
    – Jeder Junge, sagte er, hat ein kleines Liebchen.
    Seine Einstellung in diesem Punkt kam mir für einen Mann seines Alters sonderbar freizügig vor. Im meinem Innersten fand ich das, was er über Jungen und Liebchen sagte, ganz vernünftig. Aber aus seinem Mund kommend widerstrebten mir die Worte, und ich fragte mich, warum er ein- oder zweimal erschauerte, als ob er vor etwas Angst hätte oder es ihn plötzlich fröstelte. Als er weiterredete, fiel mir seine gehobene Aussprache auf. Er fing an, über Mädchen zu sprechen, und sagte, dass sie so schönes, weiches Haar und so zarte Hände hätten, dass sie aber nicht alle so brav seien, wie sie täten – wenn man’s ihnen nur ansähe. Es gebe für ihn nichts, sagte er, das schöner sei, als ein hübsches junges Mädchen zu betrachten, seine weißen Hände und sein schönes, weiches Haar. Es kam mir so vor, als ob er etwas wiederholte, das er auswendig gelernt hatte, oder als drehten sich seine Gedanken, magnetisiert von etwas in seinen eigenen Worten, wieder und wieder langsam in derselben Kreisbahn. Zuweilen sprach er so, als beziehe er sich bloß auf eine allgemein bekannte Tatsache, und mitunter senkte er seine Stimme und sprach geheimnisvoll, als ob er uns etwas anvertrauen wollte, das sonst niemand erfahren durfte. Er wiederholte seine Sätze immer und immer wieder, wandelte sie ab und umgab sie mit seiner monotonen Stimme. Ich starrte weiter zum Fuße der Böschung hinunter, während ich ihm zuhörte.
    Nach einer langen Zeit brach sein Monolog ab. Er stand langsam auf und sagte, er müsse uns mal für eine Minuteoder so, für wenige Minuten, verlassen, und ohne meine Blickrichtung zu ändern, sah ich, wie er sich langsam entfernte und zum nahe gelegenen Rand des Feldes ging. Wir schwiegen, nachdem er fortgegangen war. Nach einigen Minuten des Schweigens hörte ich, wie Mahony ausrief:
    – He! Sieh doch mal, was der da macht!
    Als ich weder antwortete noch meine Augen hob, rief Mahony noch einmal:
    – He! ... Das ist vielleicht ein komischer Heiliger!
    – Falls er nach unseren Namen fragt, sagte ich, dann bist du einfach Murphy, und ich bin Smith.
    Mehr sprachen wir nicht miteinander. Ich überlegte noch, ob ich weggehen sollte oder nicht, als der Mann zurückkam und sich wieder zu uns

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