Duddits - Dreamcatcher
nicht der wahre Name seines Vorgesetzten war – dass der Boss in Wirklichkeit Arthur Holsapple oder Dagwood Elgart hieß, vielleicht auch noch Paddy Maloney. Aber Kurtz? Wohl kaum. Das war mit ziemlicher Sicherheit ein affektierter Deckname, genauso ein persönlicher Fimmel wie George Pattons .45er mit den Perlmutt-Griffschalen. Die Männer, von denen manche seit Desert Storm unter Kurtz dienten (Archie Perlmutter war längst nicht so lange dabei), hielten ihn für einen verrückten Spinner, und Perlmutter sah das auch so … so verrückt, wie Patton verrückt gewesen war. Mit anderen Worten: verrückt wie ein Fuchs. Beim Rasieren betrachtete er morgens wahrscheinlich sein Spiegelbild und übte mit dem genau richtigen Marlon-Brando-Flüstern: »Das Grauen, das Grauen.«
Daher war Pearly beunruhigt, aber nicht ungewöhnlich beunruhigt gewesen, als er den dritten Koch Melrose in den überheizten Kommandostand gebracht hatte. Und Kurtz hatte auch ganz normal ausgesehen. Der Skipper saß da auf einem Rohr-Schaukelstuhl in seinem Wohnbereich. Er hatte sich den Overall ausgezogen – der hing an der Tür, durch die Perlmutter und Melrose eingetreten waren – und hatte sie in langer Unterhose empfangen. An einer Seitenstrebe des Schaukelstuhls hing seine Pistole in einem Gürtelholster, keine .45er mit Perlmutt-Griffschalen, sondern eine Automatik Kaliber neun Millimeter.
Sämtliche elektronischen Gerätschaften spielten verrückt. Auf Kurtz’ Schreibtisch summte das Faxgerät ohne Unterlass und spuckte Papier aus. Etwa alle fünfzehn Sekunden schrie Kurtz’ iMac mit freudiger Roboterstimme: »Sie haben neue Nachrichten!« Aus drei leise gestellten Funkgeräten knackten und krächzten die Meldungen. An dem Kiefernholzfurnier hinter dem Schreibtisch waren zwei gerahmte Fotos angebracht. Wie auch das Schild an der Tür begleiteten diese Bilder Kurtz überallhin. Das linke, auf dem INVESTITION stand, zeigte einen engelsgleichen Jungen in Pfadfinderuniform, die rechte Hand zum dreifingrigen Pfadfindergruß erhoben. Das rechte mit der Bildlegende DIVIDEN-DE war eine Luftaufnahme von Berlin aus dem Frühjahr 1945. Zwei oder drei Gebäude standen noch, aber größtenteils zeigte die Kamera eine mit Ziegelsteinen übersäte Trümmerwüste.
Kurtz wies mit abschätziger Handbewegung auf seinen Schreibtisch. »Kümmert euch nicht drum, Jungs – das ist alles nur Lärm. Das hier ist Freddy Johnsons Aufgabe, aber den habe ich rüber zur Intendantur geschickt, damit er mal was isst. Ich habe ihm gesagt, er soll sich Zeit lassen, soll sich alle vier Gänge schmecken lassen, von der Suppe bis zu den Nüssen, von Poisson bis Sorbet, denn die Lage hier ist … Jungs, die Lage hier ist so gut wie … STABILISIERT!« Er schenkte ihnen ein grimmiges Roosevelt-Grinsen und setzte seinen Schaukelstuhl in Bewegung. Neben ihm schwang die Pistole in ihrem Gürtelholster wie ein Pendel.
Melrose erwiderte Kurtz’ Lächeln vorsichtig, Perlmutter schon weniger zurückhaltend. Er wusste Kurtz einzuschätzen, na klar; der Boss war von A bis Z pseudo … und man musste das für eine gute Entscheidung halten. Eine ausgezeichnete Entscheidung. Geisteswissenschaftliche Bildung brachte einem bei einer Militärlaufbahn keine großen Vorteile, einige wenige aber doch. Man konnte zum Beispiel besser schwafeln.
»Mein einziger Befehl an Lieutenant Johnson – huch, keine Dienstgrade, an meinen guten Freund Freddy Johnson, wollte ich sagen – lautete, dass er das Tischgebet sprechen soll, bevor’s ans Futtern geht. Betet ihr, Jungs?«
Melrose nickte so vorsichtig, wie er gelächelt hatte; Perlmutter nickte nachsichtig. Er war sich sicher, dass Kurtz’ oft beschworener Gottesglaube nur Show war, genau wie sein Name.
Kurtz schaukelte und betrachtete frohgemut die beiden Männer, zu deren Füßen der Schnee von ihren Schuhen auf dem Boden schmolz. »Die besten Gebete sind Kindergebete«, sagte Kurtz. »Diese Schlichtheit, wissen Sie. ›Alle guten Gaben, alles, was wir haben, kommt, o Gott, von dir. Wir danken dir dafür.‹ Ist das nicht schlicht? Ist das nicht schön?«
»Ja, a…«, setzte Pearly an.
»Halten Sie die Schnauze, Sie Hund«, sagte Kurtz vergnügt. Er schaukelte immer noch. Die Waffe pendelte immer noch im Gürtelholster hin und her. Er richtete den Blick von Pearly auf Melrose. »Was meinen Sie denn, mein Bürschchen? Ist das ein schönes kleines Gebet, oder ist das ein schönes kleines Gebet?«
»Ja, S…«
»Oder Allah akbar, wie
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