Duddits - Dreamcatcher
aufs Gleiche hinaus.
»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein«, sagte der korpulente Mann. Dann, fast nachsichtig: »Wir sind doch hier in Amerika.«
»Ach ja? Dann finden Sie ja bestimmt auch, dass hier alles seinen geordneten Gang geht, was?«
»Die sind bloß … das ist bestimmt bloß …« Henry lauschte interessiert, aber mehr kam da nicht, zumindest nicht in dieser Richtung. »Das war ein Schuss, nicht wahr?«, fragte der korpulente Mann. »Und ich glaube, ich habe jemand schreien gehört.«
Aus der Richtung der beiden zusammengestellten Caravans hasteten zwei Männer mit einer Trage herbei. Ihnen folgte, deutlich widerwillig, der mittlere Manager, das Klemmbrett nun wieder fest unter dem Arm.
»Ich würde sagen, da haben Sie richtig gehört.« Henry und der korpulente Mann sahen zu, wie die beiden Männer mit der Trage die Eingangstreppe des Winnebago hocheilten. Als Mr. Mittleres Management am Zaun vorbeikam, rief Henry ihm zu: »Wie läuft’s denn, Scherge? Macht’s denn auch Spaß?«
Der korpulente Mann zuckte zusammen. Der Typ mit dem Klemmbrett warf Henry einen knappen verdrießlichen Blick zu und stapfte dann weiter zum Winnebago.
»Das ist bloß … das ist bloß irgendein Notfall«, sagte der korpulente Mann. »Das hat sich bis morgen früh bestimmt geklärt.«
»Aber nicht für Ihren Schwager«, sagte Henry.
Der korpulente Mann sah ihn mit zusammengekniffenem, leicht zitterndem Mund an. Dann ging er zu den anderen Männern zurück, deren Ansichten den seinen zweifellos eher entsprachen. Henry drehte sich wieder zum Winnebago um und wartete weiter, dass Underhill herauskam. Er hatte so eine Ahnung, dass Underhill seine einzige Hoffnung darstellte … Aber welche Zweifel Underhill auch an dem Einsatz hegen mochte, blieb diese Hoffnung doch vage. Und Henry konnte nur einen einzigen Trumpf ausspielen. Dieser Trumpf war Jonesy. Sie wussten nichts von Jonesy.
Fragte sich bloß, ob er Underhill davon erzählen sollte. Henry hatte schreckliche Angst, dass es zu nichts Gutem führen würde.
5
Gut fünf Minuten nachdem Mr. Mittleres Management den beiden Sanitätern in den Winnebago gefolgt war, kamen die drei mit einem vierten Mann auf der Trage wieder heraus. Im strahlend hellen Licht der Scheinwerfer sah das Gesicht des Verwundeten so blass aus, dass es fast violett wirkte. Henry war erleichtert, als er sah, dass es nicht Underhill war, denn Underhill war anders als die übrigen Irren hier.
Zehn Minuten vergingen. Underhill hatte den Kommandoposten immer noch nicht verlassen. Henry wartete im dichter werdenden Schneefall. Soldaten beobachteten die Häftlinge (denn das waren sie: Häftlinge, und am besten machte man sich da nichts vor), und schließlich kam einer von ihnen herübergeschlendert. Die Männer, die an der Kreuzung Deep Cut und Swanny Pond Road stationiert gewesen waren, hatten Henry mit ihren Scheinwerfern ziemlich geblendet, und deshalb erkannte er das Gesicht dieses Mannes nicht. Ebenso erfreut wie zutiefst beunruhigt, stellte Henry aber fest, dass auch die Gedanken eines Menschen Züge aufwiesen, die in jeder Hinsicht so unverkennbar waren wie ein hübscher Mund, eine gebrochene Nase oder ein schiefes Auge. Das war einer der Typen, denen er da draußen begegnet war, und der hier hatte ihm mit dem Schaft seines Gewehrs einen Schlag auf den Hintern verpasst, als er fand, dass Henry nicht schnell genug zum Wagen ginge. Was auch immer mit Henrys Gehirn passiert war, alles blieb skizzenhaft; er wusste den Namen des Mannes nicht, wusste aber, dass sein Bruder Frankie hieß und dass Frankie während seiner Highschool-Zeit wegen Vergewaltigung vor Gericht gestellt und dann freigesprochen worden war. Da war auch noch mehr – ein unzusammenhängendes Wirrwarr wie der Inhalt eines Mülleimers. Henry wurde klar, dass er tatsächlich einem Bewusstseinsstrom folgte und das Treibgut betrachtete, das der Strom mit sich trug. Es war bloß ernüchternd, wie banal das meiste davon war.
»Sieh einer an«, sagte der Soldat nicht unfreundlich. »Unser Klugscheißer! Möchten Sie ein Würstchen, Klugscheißer?« Er lachte.
»Hatte schon eins«, sagte Henry lächelnd. Und dann sprach Biber aus ihm, wie das manchmal so war. »Zisch ab, Scherge.«
Dem Soldaten blieb das Lachen im Hals stecken. »Warten wir mal ab, ob Sie in zwölf Stunden auch noch so die Schnauze aufreißen«, sagte er. Das Bild, das vorbeitrieb, getragen von dem Strom zwischen den Ohren des Mannes, zeigte einen mit Leichen beladenen
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