Duell auf offener Straße
Sie erkennen, dass das Problem nicht mehr da ist? Was würde sich dadurch verändern? Welches Problem hat Sie vor dem Auftreten des aktuellen Problems beschäftigt? Welche Probleme hätten Sie, wenn dieses nicht wäre? Wie müsste die Lösung aussehen, was müsste sie beinhalten, damit Sie sie annehmen könnten? Welche Art von Lösung können Sie sich gar nicht vorstellen? Wie haben Sie bislang andere Konflikte gemeistert?
Ein Problem ist der Ausdruck einer Störung im Gesamtsystem. In der Analyse geht es daher nicht nur um das Beschreiben des Problems, sondern vor allen Dingen um Zusammenhänge von Verhalten. Was hat die Rolle des Hundes im Haus mit seinem Verhalten auf dem Spaziergang zu tun? Was hat die defensive Aggression mit der Herkunft des Hundes zu tun? Was hat das Nähebedürfnis des Menschen mit dem aggressiven Verhalten des Hundes zu tun? Was hat das Appetenzverhalten des Hundes am Anfang des Spaziergangs mit der Beschäftigung des Hundes zu tun? Was hat der Unwillen des Hundes, sich dem Menschen anzuschließen, mit dem starken Durchsetzungsverhalten des Menschen zu tun?
Es geht dabei nicht um einfache Kausalwirkungen, sondern um eine erste, vorläufige Verhaltensinterpretation. Hunde sind in der Betrachtung des Systems als vollwertige Mitglieder der Gruppe anzusehen, die an der Kommunikation ebenso beteiligt sind wie die Besitzer. Die Diagnostik sollte frei von Schuldzuweisungen sein und sich durch Einfühlungsvermögen der BeraterInnen auszeichnen. Empathie ist keine Technik! In der Beratung geht es nicht darum, seine Methode zu verkaufen oder sich die Hundehalter zu Untertanen der eigenen Einstellung zu machen.
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Wenn Hunde aufeinandertreffen, so treten sie einander mit ihrem persönlichen Selbstbild entgegen. Die einen sind groß, die anderen fühlen sich so.
Manche Menschen haben Sorgen, ihren Hund zu halten, haben Angst zu fallen. Andere sorgen sich um ihren Hund, haben Angst, dass er gebissen wird.
Das aggressive Verhalten sieht zwar sowohl in Klein als auch in Groß ähnlich aus, doch die dahintersteckenden Geschichten lassen sich mit dem bloßen Auge nicht erkennen.
Am Ende gehen alle wieder an den Ort zurück, der täglich von Neuem das Selbstbild gebärt: nach Hause.
Die Veränderung und die Herausforderung
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Wenn der Mensch unter einem Konflikt leidet, wandelt sich dieser Konflikt zum Problem. Ein Problem ist dadurch gekennzeichnet, dass man viel darüber grübelt, es formuliert, aber keine Lösungsstrategien dafür hat. Ein Problem beinhaltet meist eine Ausweglosigkeit. Positiv betrachtet könnte man ein Problem aber auch als Rätsel sehen. Es gibt also eine Lösung, aber ich habe sie noch nicht gefunden. Um nun an die Lösung zu kommen, ist es notwendig, sich mit dem Rätsel zu beschäftigen, und nicht, es zu verdrängen. Dazu gehört auch eine veränderte Fragestellung, die aufgrund der neuen Betrachtung von aussichtslos zu konstruktiv mutieren kann. Von „Warum muss das mir passieren?“ zu „Was kann ich tun, damit ich mich besser fühle?“. Veränderungen beginnen im Kopf und im Herzen und sind keine Technik. Sie fühlen sich seltsam ungewohnt an. Das macht sie aus.
Das Setzen von klaren Zielen ist etwas, was sich der Mensch beim Hund abschauen kann.
(Foto: Nadin Matthews)
Zielsetzung
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Die Formulierung der Zielsetzung ist ein wichtiger Schritt im Erstgespräch. Die meisten Hundehalter definieren ihr Ziel so: „Er soll damit aufhören!“ Diese Zielsetzung ist sehr schwierig, weil sich ausschließlich der Hund verändern soll und der Mensch gar nicht darin vorkommt. Ganz ähnlich wie bei der Aggression an der Leine: Der Hund macht, der Mensch verschwindet im Hintergrund. Wie wäre es also mit folgender Zielsetzung? „Ich möchte in Hundebegegnungen mehr Einfluss auf das Verhalten meines Hundes nehmen“ oder „Ich möchte meinem Hund anbieten, mit mir zusammenzuarbeiten, auch wenn ein anderer Hund kommt.“ Wir sind nun fast am Ende des Buches angekommen, es ist an der Zeit, die Hoffnung auf eine spontane Besserung aufzugeben. Glauben Sie mir, es wird nicht besser, wenn er älter wird. Aber Verhalten ist veränderbar. Werden Sie selbst zum Akteur in Ihrer Beziehung zu Ihrem Hund. Die Hoffnung ist sowieso ein einsames Gefühl, wenn sie immer zuletzt stirbt. Ein Hund braucht ebenso wie ein Mensch einen Grund, um sich zu verändern. Wer sollte dem Hund diesen Grund geben? Fragen Sie jetzt bitte nicht Ihren
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