Duell im Eis
Seymore stockte und sprach es dann doch aus, »wenn sie auch bei den Russen nicht aufzufinden sind?«
»Es tut mir leid, Seymore, das zu sagen: Wir streichen ihre Namen durch. Wir müssen es … Der Weltfriede ist mehr wert als zwei unbekannte Menschen. So ist das nun mal.«
»Ich weiß aber, Sir, daß Ric bei den Russen ist. Ich habe den Beweis! Sein Unterhemd in der sowjetischen Laborstation. Wenn er nicht mehr aufzufinden ist, dann haben sie ihn umgebracht!«
»Auch damit müssen wir leben, ohne zu klagen, Seymore. Sagen Sie nichts mehr. Legen Sie gleich auf, und dann können Sie gegen die Wand ›Scheiße‹ brüllen. – Ich erwarte laufend Ihre Meldungen.«
Am nächsten Morgen um 8 Uhr begann die Räumung.
Seymore, der von der ›Lincoln‹ herübergeflogen war, um diesen einmaligen Vorgang des Rückzuges von einem Eisberg mit seiner Videokamera festzuhalten, war einen Augenblick sprachlos, als per Sprechfunk vom Sonarraum gemeldet wurde: »Sir, ein U-Boot nähert sich ›Big Johnny‹. Wir haben es deutlich im Gerät. Es läuft unter der Eisdecke auf uns zu.«
»Ein U-Boot?« Seymore blickte irritiert auf Commander Brooks, der neben ihm stand.
Es war ein kalter, aber klarer Morgen; als weiße Wölkchen trieb der Atem von ihnen weg und setzte sich als Eiskristalle an den Fellhaaren von Mantelkragen und Pelzmütze fest.
Wie im Theater, wo auf ein Stichwort der neue Darsteller erscheint, brach plötzlich in einer Entfernung von 200 Metern ein grauer, breiter, hoher Stahlturm aus dem Meer, ein langgestreckter, eleganter Körper folgte und schwamm dann langsam auf die amerikanische Basis zu. Hinter dem Schanzkleid im Turm erschienen drei Männer in dicken Felljacken und blickten durch Feldstecher auf die kleine amerikanische Stadt im Eis.
»Und keiner hat das gewußt …«, sagte Nurian etwas verbittert. »Seht euch das an! Auf dem platten Eis. Auf dem Eis! Man sollte unsere Satellitenspezialisten mit dem nackten Arsch im Eis einfrieren lassen!«
Und Seymore sagte: »Das ist ja ein dicker Hund! Hier wimmeln sowjetische U-Boote herum, und keiner hat davon eine Ahnung! Ich denke, der Eisberg ist unter Kontrolle? Brooks, das ist eine Blamage!«
»Eine geheime Blamage, Sir. Keiner wird jemals davon erfahren – das ist das einzig Gute an dem ganzen Mist!«
Elegant zog Nurian das Boot in die kleine Bucht und legte am Rand des Eisberges an – eine Meisterleistung, die auch Seymore, der Flieger, erkannte. Matrosen schoben die Gangway auf das Eis. Ganz ›Big Johnny‹ war auf den Beinen, stand vor den Häusern, Werkstätten und Lagerschuppen und verfolgte stumm das Manöver der Russen.
Vizeadmiral Warner wurde von der Funkzentrale verständigt. Er begann zu toben, raste in den mit den neuesten Geräten ausgerüsteten großen Raum der Überwachung und brüllte: »Ist das hier ein Wunderwerk der Elektronik oder ein Schlafsaal? Glotzen Sie mich nicht so dämlich an!« Er sah an der Wand ein paar aus Sexmagazinen ausgeschnittene Fotos nackter Frauen in lockender Pose, riß sie herunter und warf sie in den Saal. »Da schleichen sowjetische U-Boote um uns herum, und die Herren geilen sich unterdessen an nackten Weibern auf! Wenn die Aktion beendet ist, sprechen wir uns noch!« Beim Verlassen des Raumes knallte er die Tür hinter sich zu, fuhr mit dem Lift in seine Kommandozentrale und ließ sich die unterdessen eingelaufenen Meldungen vom Eisberg vorlegen.
Mit Nurian an der Spitze waren vier sowjetische Offiziere vom Boot gekommen, mit ausdruckslosen Gesichtern, eckigen Bewegungen und unruhig herumschweifenden Blicken, die sofort alles registrierten. Vor allem der elektronische Mastenwald über den Labors zog ihr Interesse an. Das war nicht nur eine Funkstation, das war mehr! Vor allem die drei blinkenden Stahlkugeln, einer Sternwarte ähnlich, ließen abenteuerliche Vermutungen zu.
Nurian hob grüßend die Hand an seine Pelzmütze, als Seymore und Brooks ihnen entgegenkamen. Einer der Offiziere kramte sein weniges Schulenglisch hervor und versuchte ein paar jämmerliche Sätze. »Wir sind Kontrolle. Guten Morgen. Sollen abholen Kontrolle von Amerika.«
»Mit dem U-Boot?« fragte Seymore kurz. Das Wort ›Kontrolle‹ bohrte sich in sein Herz. Amerikaner werden von Sowjets kontrolliert – wo sind wir hingekommen? Sein Nationalstolz brannte.
»Nein.« Der sowjetische Offizier schüttelte den Kopf. »Mit Helikopter. Werden erwartet von Vizeadmiral Schesjekin.«
»Sie haben einen Admiral auf dem Berg!« sagte
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