Duell im Eis
Brillengläser schimmerte, oder eine hübsche, junge sportliche Frau oder eine kühle, emanzipierte Schönheit, die Männer nur als biologische Notwendigkeit betrachtete. Malenkow wußte von ihr aus dem Personalbogen, der ihr vorausgeflogen war, nur dies: 30 Jahre alt, bereits Witwe (hatte ihr Mann vor ihr vollkommen kapituliert?), Meeresbiologin, Mitglied der Akademie, Autorin von zwei Fachbüchern. Das war schon alles. Wohnung in Moskau, in einem Haus des Institutes. Das machte Malenkow besonders stutzig. Eine Frau, die mit ihrem Beruf und ihren Forschungen verheiratet ist? Die neben sich im Bett keinen Mann, sondern das Labortagebuch liegen hat? Wer würde denn sonst neben seiner Arbeitsstelle schlafen?
Und dann stieg sie die Gangway herunter, blinzelte in die Sonne und ließ Malenkow Zeit genug, sich zu wundern. Ein Kostüm aus hellem Leder trug sie, die langen Beine waren braungebrannt, die blonden Locken zerzauste der Wind, der immer über Sachalin weht, und drückte unter der offenen Lederjacke die goldfarbene Bluse an ihren Oberkörper. Es war nicht zu übersehen, daß die Berreskowa schöne, kräftige Brüste hatte, die kein Hilfsmittel zu halten hatte. Der erste Eindruck, den Malenkow also gewann, war für ein männliches Gemüt überwältigend.
Nach dem ersten freudigen Schreck kam er mit großen Schritten auf die Gangway zu und grüßte besonders zackig und mit glänzenden Augen. »Willkommen auf Sachalin, Ljuba Alexandrowna!« rief er begeistert. »Die Sonne scheint, nach vier Wochen Nebel endlich wieder Sonne! Wie könnte es auch anders sein. Der Himmel muß sich öffnen, wo Sie erscheinen.« Er grüßte wieder. »Darf ich mich Ihnen vorstellen, Genossin? Mein Name ist Jurij Adamowitsch Malenkow, Kapitän der Ersten pazifischen Flotte.«
»Und ein großer Redner dazu.« Die Berreskowa lächelte Malenkow an, aber es war ein kaltes, höfliches Lächeln, mehr abweisend als ermunternd. Sie gab Malenkow die Hand, mit einem leichten Druck, der ihm dennoch wie ein Blitz durch den ganzen Körper fuhr, und blickte sich dann um. »Einsamer geht es nicht«, stellte sie fest.
»Im Winter werden die Wölfe hier trübsinnig und versuchen Selbstmord.«
»Und wie stellen sie das an?«
»Sie kommen bis zu uns ins Lager und lassen sich erschießen.«
»Kapitän Malenkow, Ihr Humor ist ausgesprochen feinsinnig.«
Professor Kratjinzew, der Polarforscher, war ein kleiner Mann mit einem eisgrauen Spitzbart, dürr und mit faltiger Haut, als habe er nicht mit Eis, sondern mit Wüstensand zu tun und wäre in der Glut von Usbekistan verdorrt. Anders dagegen Professor Donkow, der Spezialist für Hochfrequenz und Radar; er war groß, ja, man hätte es lang nennen können, von massiger Gestalt, mehr einem Catcher als einem Wissenschaftler ähnlich, und während Kratjinzew immer in Bewegung war, nervös und feinnervig, schien Donkow nichts aus der Ruhe zu bringen. Er sah aus seiner Höhe mit überlegener Gelassenheit auf alles hinab.
Die Berreskowa schwebte vor Malenkow her zu dem Geländewagen, und Jurij bewunderte ihren Gang, das Schwingen ihrer Hüften, die Bewegungen ihrer Beine, die Leichtigkeit ihres Schrittes. Während er hinter ihr herging, dachte er daran, daß sie bereits Witwe war, und fragte sich, wie es dazu gekommen sein konnte. War der Genosse Berreskow so viel älter als sie gewesen, war's ein Unfall gewesen, eine unheilbare Krankheit? Er nahm sich vor, es einmal zu wagen, sie danach zu fragen, wenn sie es nicht vorher von selbst erzählte. Eine so schöne junge Witwe konnte mit dem Leben doch nicht abgeschlossen haben. Mit 30 Jahren überwindet man das Hinsterben eines Mannes leichter als mit 60.
Sie fuhren zur U-Boot-Basis, wo Vizeadmiral Schesjekin wie ein roter Ball auf die Berreskowa zusprang und ihr sogar nach kapitalistischer Art die Hand küßte. Bei ihm benahm sie sich ganz anders als bei Malenkow, sprach mit einer angenehm weichen Stimme, lachte mit zurückgeworfenem Kopf und trank, in die Runde prostend, ihr Begrüßungsglas mit duftendem Krimsekt. Malenkow, der etwas mißmutig neben dem kleinen Professor Kratjinzew stand, bedachte sie mit keinem Blick. Das ärgerte Malenkow sehr, er setzte sich später außerhalb des Kreises an einen Tisch an der Wand und unterhielt sich mit dem Ingenieur Karasow, der den Bau der ins Eis gesprengten Stadt überwachen sollte.
»Eine ungewöhnlich schöne Frau ist sie, diese Ljuba Alexandrowna«, sagte Karasow. »Ich gratuliere Ihnen, Jurij
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