Duell im Eis
noch ein Spielzeug aus den Kindertagen der Kriege. Man konnte sie ruhigen Gewissens verschrotten und die wie immer blinde und jubelnde Menschheit erneut einem unbekannten Schicksal überlassen. Ein Schicksal, das in einem abhörsicheren Konferenzraum entschieden wurde.
»Wir haben uns gedacht«, sagte General Pittburger, nachdem man den letzten Videofilm von Hamilton und Buttler angesehen hatte, »daß wir das Eisfeld als Landepiste ausbauen, und zwar so, daß man es auf Satellitenaufnahmen nicht erkennt, im davorliegenden Flacheis, das sanft zum Meer abfällt, die Labors, Unterkünfte, Magazine und technischen Apparate einbaut und daß auf ›Big Johnny‹ eine Forschungsstätte entsteht, die über Jahre hinaus uns einen Vorsprung gegenüber den Russen garantiert.«
»Und wenn das eines Tages doch entdeckt wird?« fragte der Minister.
»Sir«, General Pittburger lächelte mokant, »was kann man gegen eine Polarforschungsstation haben? Meeresbiologie, Strömungskunde, Ozonloch, meteorologische Messungen, das sind doch absolut friedliche Dinge. Und – das ist das Wichtigste – das Projekt ›Big Johnny‹ werden nur Amerikaner betreten, ausgewählte Amerikaner.«
»Und getarnte Spione.«
»Ausgeschlossen, Sir. Die Überwachung wird vollkommen sein. Keine Robbe, kein Eisbär wird ungesehen zu uns kommen können, geschweige denn ein Mensch. Die Isolierung wird total sein.« General Pittburger sprach das mit unerschütterlicher Sicherheit aus. »Wir hoffen, in schon drei Wochen die fertigen Pläne vorlegen zu können.«
»Sie müssen bezahlt werden, daran hängt alles.«
»Das ist Ihre Aufgabe, Sir.« General Pittburger sah den Minister mit großem Ernst an. »Es wäre eine ewige, nie wieder gutzumachende Schande für unser Land, wenn die Bürokratie dieses Projekt durch ihre Mühlen leiert und eine unserer größten Chancen, unangreifbar zu werden, damit zermahlt.«
»Der Präsident ist an dem Projekt sehr interessiert.« Der Minister erhob sich von seinem Stuhl. »Wir werden ihm morgen in kleinem Kreis die Videobänder und die Fotos vorführen. Ich glaube sagen zu dürfen, daß schnellstens entschieden wird.«
»Immer diese Zivilisten«, sagte General Pittburger später, als der Minister das Pentagon verlassen hatte, und trank eine Tasse heißen Kaffee. »Sie kommen mir vor wie Zuschauer bei einer Zauberschau. Jeden Trick beklatschen sie, begeistern sich an jeder Illusion und begreifen nicht, daß sie im großen Zauberspiel der Nationen sich auch nur an Gaukeleien begeistern, die von der Wahrheit ablenken. Und was ist wahr? Daß es zwei Machtblöcke auf dieser Erde gibt und daß keiner weiß, was eine Unterschrift oder ein Handschlag noch wert sind, wenn es einmal keinen Ronald und keinen Michail mehr gibt. Nur die Militärs denken da weiter, und deshalb muß das Projekt ›Big Johnny‹ so schnell wie möglich durchgeführt werden. Wir leben nun mal nicht auf einem Planeten, wo fünf Milliarden Menschen das Gleiche denken. Solange es Menschen gibt, bringen sie sich um, der Neandertaler mit Keule und steinernen Speerspitzen, wir Heutigen mit Atomwaffen und noch schrecklicheren Dingen. Ich weiß nicht, warum das aufhören soll, wenn sich zwei Männer umarmen und an die Brust ziehen. Was wird nach diesen beiden Männern kommen? Das ist die Frage, die mir Angst macht und für deren Beantwortung wir gewappnet sein müssen. Es hat immer wieder Attilas, Dschingis-Khane, Stalins und Hitlers gegeben; wer glaubt, das könne aufhören, gehört zu den Naiven, die einen Atompilz als Windhose ansehen.«
Die Generäle nickten. So wie Pittburger dachten auch sie, und es war keiner darunter, der »Schluß mit dem Wahnsinn!« zu schreien wagte.
Virginia Allenby hatte es mit ihren 26 Jahren schon weit gebracht. Nachdem Professor Shakes, Lehrstuhlinhaber für Meeresbiologie an der Universität von San Francisco, plötzlich an einem Herzinfarkt gestorben war, beim Nachmittagskaffee auf der Terrasse seiner Villa in Sausalito, gehörte Virginia, seine Assistentin, ebenso plötzlich zu der Handvoll Wissenschaftler, die über die Weltmeere und ihr biologisches Leben mehr zu sagen hatten, als der kühnste Romanschreiber es sich zu träumen wagt. An allen Forschungen von Professor Shakes war sie beteiligt gewesen, nicht nur als Berichtsbuchschreiberin oder Gedankenstenographin, sondern bei allem: an den Forschungsreihen, an den Versuchen, an den Auswertungen, an den gewonnenen Erkenntnissen, an der Gestaltung der meeresbiologischen
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