Duenne Haut - Kriminalroman
mich beim Stechen fotografiert. Für den neuen Katalog, hat er erklärt. Er war gar nicht mehr zu bremsen, einen ganzen Film hat er verschossen – nur für mich! Der alte Liam im Hochglanzkatalog von
Failte Ireland
, stellt euch das mal vor! Ich hätte natürlich lieber meinen Feiertagsanzug angezogen, aber das kam nicht in Frage. Weil es doch darum geht, dass alles echt aussieht, hat Pete gemeint. Je zerschlissener das Gewand, umso besser. Und Regen und Nebel würden die Leute auf den Fotos lieber haben als Sonnenschein, wegen der urigen Stimmung. Ich hab mir das nicht vorstellen können. Glaub mir, Liam, sagt er, was die richtige Stimmung angeht, bin ich Experte. Vier Jahre Marketingstudium in Dublin und in London. Keine Ahnung, was sie da zusammenstudieren, denke ich, aber okay, er wird es wohl wissen. Nach der Knipserei sind wir zum Geschäftlichen gekommen. Er hat mir siebzig Euro die Woche geboten, einfach so, ich hab nicht einmal handeln müssen. Siebzig Euro, das sind fast fünfzig alte irische Pfund! Eine ordentliche Menge Geld für einen Rentner wie mich. Abgemacht, sage ich, die Hand darauf. Abgemacht, sagt er. Er hat mir sogar noch die halb volle Flasche
Paddy
dagelassen – ein feiner Bursche!
Den ganzen Tag Torf stechen und Torf schlichten … Es klingt anstrengender, als es ist. Ich hab genug Zeit, zwischendurch meine Pfeife zu rauchen und für einen Schluck aus der Buddel, die unter den Briketts eh keiner sieht. Aber wann immer ein Auto oder ein Radfahrer auftaucht am Horizont, fang ich sofort wieder an mit dem Stechen. Oder mit dem Schlichten, je nachdem. Im Urlaub sehen die Menschen am liebsten anderen bei der Arbeit zu, hat Pete gesagt, und ich schätze, er hat recht damit. Auch wenn nie einer das Zeug abholt zum Verheizen, es geht ja nur ums Zurichten, und dass alles möglichst original ausschaut. Und weil eh nie etwas wegkommt, hab ich mir jetzt einen neuen Plan überlegt: Am Abend stoß ich die Haufen einfach wieder um! So erspare ich mir, jeden Tag neue Briketts ausstechen zu müssen. Nicht schlecht, was? Das dürft ihr dem Pete Malley aber nicht verraten!
Nicht ganz ehrlich? Ach, wissen Sie, das ist so eine Sache mit der Ehrlichkeit. Die Ehrlichkeit, sag ich immer, ist wie ein Katzenjunges. Furchtbar lieb, aber blind. Ohne viel Lebenserfahrung und ohne viel Lebensberechtigung. Wahrscheinlicher, dass es schon am ersten Tag ersäuft, als dass es sie aufkriegt, seine verklebten Augen.
Ich werde es wohl wissen, weil da bin
ich
der Experte. Seit ewigen Zeiten bringen sie mir ihre Katzenjungen, damit ich sie entsorge für sie. Wie ich das erledige, ist ihnen egal, solange sie nicht zuschauen müssen dabei. Liam, du machst das für mich – nicht wahr, Liam? Ich hab keine Hand für so was, und meine Frau, du kennst sie ja, die würde am liebsten gleich den ganzen Wurf behalten … Weil ich also eine Hand für so was habe, darf ich sie ertränken, im nächstbesten Moorgraben. Dort liegen schon ich weiß nicht wie viele. Irgendwann einmal wird sich ein Archäologe den Kopf darüber zerbrechen, was so viele Katzenskelette auf einem Haufen bedeuten. Ob das eine Opferstätte der Kelten war oder sonst was Antikes.
Aber die Leute brauchen mich nicht nur, wenn unerwünschter Nachwuchs gekommen ist. Es gibt auch die, die ihre alte Katze nicht mehr aushalten, weil sie plötzlich nicht mehr stubenrein ist. Zehn Jahre lang ist alles bestens gelaufen, und auf einmal versaut sie den Teppich oder scheißt einem vor die Tür. Ich sag den Leuten immer: Wenn es nicht Darmkrebs ist oder so, wird es wohl daran liegen, dass etwas umgestellt wurde in der Wohnung. Vielleicht findet sie sich einfach nicht mehr zurecht bei Ihnen zuhause? Aber die Leute wollen sich darüber gar keine Gedanken machen. Die glauben, eine Katze ist dazu da, sich ihnen anzupassen und nicht umgekehrt. Dann bin ich halt wieder der, der sie entsorgen muss.
Bevor ich es in den Graben werfe, tröste ich das Tierchen noch ein bisschen. Ja ja,
pussy cat
, sage ich, unberechenbar ist es halt geworden, das Leben, furchtbar kompliziert. Was glaubst, wie es uns Menschen erst damit geht! Und da ist keiner, der es so schnell und schmerzlos zu Ende bringt mit uns wie ich jetzt mit dir.
Ich kann es ja nicht beweisen, Anthony, aber ich glaube, nach so einem Trost stirbt es sich gleich um einiges leichter.
4 K LINIK S ONNBLICK
Da haben wir aber Glück gehabt, Herr Hagen!
Glück, genau, Glück … Was ist schon ein blauer Fleck auf dem Hintern angesichts
Weitere Kostenlose Bücher