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Duenne Haut - Kriminalroman

Duenne Haut - Kriminalroman

Titel: Duenne Haut - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kabelka
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verraten: Es geht mir prächtig, in der Tat, denn ich spüre mich vorzüglich, mehr als beim besten Sex. Okay, es schmerzt ein bisschen. Aber was ist das im Vergleich zu dem Zustand, wenn ich nichts spüre! Wenn ich nicht weiß, wo Innen und Außen anfängt und endet, weil beides gleich verschwommen ist. Ich schneide, und sofort ist alles glasklar. Geritzt, wie du zu sagen pflegst, die Sache ist geritzt. Wie das Leben. Es gibt da nur ein Problem.“
    „Nämlich?“
    „Die Narben. Ein jeder erschrickt davor.“
    Sie verstummt. Auch ihm fällt nichts ein. Er weiß nur, dass es keinen Sinn hat, sie trösten zu wollen. Muss er sich schuldig fühlen, wie sie es gerne hätte? War es wirklich nur der Anblick ihrer Narben, der ihn davon abgehalten hat, mit ihr zu schlafen? Wohl kaum. Höchstens, dass sie der Tropfen waren, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ein Fass, das schon zuvor gefüllt war mit Misstrauen und Zweifel. Spätestens seit den Infos aus Berlin stand für ihn fest, dass er diese Frau nicht näher an sich heranlassen dürfe, ohne an ihr zu verbrennen. Jetzt ist es trotzdem höllisch heiß geworden. Aber Vorsicht walten zu lassen ist eben nicht gleichbedeutend mit Rücksichtnahme. Rücksicht auf die dünne Haut und die dicken Wülste einer bis zum Kopf Eingegrabenen. Wie hätte er diese Winnie aus ihrem Grabeshügel befreien sollen, bloß, weil sie ihn zu ihrem Willie ernannt hat und belangen will für alles? Vor allem für das, was er
nicht
getan hat. Du hast keine Chance, also nutze sie, pflegte der verrückte Filmemacher Achternbusch zu predigen, in dessen Heimat man sich hier befindet. Passt, passt prächtig!
Wie der Deckel auf den Topf, wie die Weißwürst zum Bier, wie der Schnauzer zum Hitler, so pass i zu dir …
Ein durch und durch bayrisches Liedchen mit einer süffigen Melodie, die er nicht mehr aus dem Schädel kriegt, seitdem Prader und er damit im Goldenen Krug beschallt wurden. An dem Abend, als Ernst ihn vor Marie Therese gewarnt hat.
    „Du wolltest doch noch etwas von mir wissen“, erinnert er sie. Nicht, dass er darauf aus wäre, ihre Fragen zu beantworten. Aber er darf das Heft jetzt nicht aus der Hand geben.
    „Aha, man versucht, Zeit zu gewinnen! Wie clever! Aber du vergisst, dass ich nichts mehr zu verlieren habe, egal, wie viel Zeit bleibt. Seitdem ich weiß, was Sachs und Co. von mir halten, ist mir klar, dass ich meine Kinder nicht mehr zurückbekommen werde. Und dass alles sich wiederholen wird: Mama da!, werden sie rufen, und auch ihre Mama wird nicht da sein. Andere Ursachen, dasselbe Ergebnis.
    „Woher willst du wissen, wie am Ende die Diagnose aussehen wird? Du bist doch noch mitten in der Therapie.“
    „Ich kann lesen! Wenn ich etwas beherrsche, ist es das. Und was in meiner Krankengeschichte steht, wird sich auch im Arztbrief finden:
Niedriges Strukturniveau. Primitive Idealisierungs- und Entwertungsstrategie. Omnipotente Kontrolle. Verleugnung und Spaltung, Fehlen von Besorgnis, narzisstische Persönlichkeitsstruktur …
Ich kann diese Scheiße schon auswendig! Damit lässt sich kein Gericht der Welt dazu bewegen, mir jemals meine Kinder zurückzugeben.“
    Ihre weißen Knöchel kontrastieren scharf mit dem Orange des Stanleymessers.
    „Aber woher …?“
    „Die eigene Krankengeschichte wird man sich ja noch ausleihen dürfen, oder? Sachs, dieser verlogene Hund! Faselt davon, welch großartige Fortschritte ich mache. Aber was er schreibt, beweist, dass er mich am liebsten in eine geschlossene Anstalt einliefern lassen würde. Und ich fürchte, dass sich sein Eindruck von mir ganz und gar nicht bessern wird, wenn wir hier fertig sind.“
    Traurig ihre Augen, höhnisch der Mund. Als würde jemand Bremse und Gaspedal gleichzeitig treten. Wer soll damit zurechtkommen? Und die Klinge des Stanleys ist seinem hüpfenden Adamsapfel viel zu nahe …
    Der Holzboden draußen knarrt. Beide hören sie die Schritte. Eine Stationsgehilfin vielleicht, auf ihrem Kontrollgang. Marie Therese presst ihm ihre linke Hand fest auf den Mund, zugleich drückt sie mit Daumen und Zeigefinger seine Nase zu.
    „Es ist Zeit“, sagt sie. Er versteht.
    Die Schritte nähern sich.
    Ihre Hand ist weich und stark, sie raubt ihm die Luft.
    Lisa, denkt er, ich habe dich geliebt. Endlich weiß er etwas mit letzter Gewissheit.
    „Schleim dich nur weiter so durchs Leben!“, flüstert sie ihm zu.
    Der Satz hallt in ihm wider wie in einem Tunnel. Als die Schritte sich langsam entfernen, hat er bereits

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