Düstere Schatten (Darian & Victoria #2) (German Edition)
ich mit dem Zuhören beschäftigt gewesen. Nun schaute ich Martin in die Augen und es blitzten Bilder seiner Geschichte durch seine Gedanken.
Maurice musste ein älteres Mondkind sein. In Menschenjahren würde man ihn vielleicht auf Mitte 50 schätzen. Aber er sah gut aus für sein Alter. Er hatte mittelblondes Haar, das er etwas länger und völlig zerzaust trug. Sein Dreitagebart war mehr als passend. Er hatte etwas Wildes an sich. Ein typischer Werwolf.
Als nächstes wollte ich die Frau aus Martins Erinnerung genauer betrachten. Ich konnte sie jedoch nur schemenhaft erkennen. Sie war wie ein schwarzer Schatten, ein dunkler Umhang ohne Gesicht. Irritiert zog ich mich aus Martins Gedanken zurück.
»Konntest du die Frau sehen?«, fragte ich Aurelia.
Sie schüttelte nur den Kopf. »Sie hat Martins Gedanken manipuliert. Ich hoffe, wir finden in der Zukunft etwas Genaueres. Lass uns gehen.«
Die schwarze Frau
Victoria
Meine Gedanken kreisten um Maurice, um sein Rudel, um Werwölfe, die ich mir unwillkürlich in einem barbarischen Krieg gegen Unschuldige vorstellte. Die Bilder in meinem Kopf zogen weiter zu dieser mysteriösen schwarzen Frau. Mein Geist begann sich von meinem Körper zu lösen und wechselte über auf die Ebene, die lediglich den mental Begabten unter uns vorbehalten war. Ich stellte mir die Wege vor, die zu diesem Ziel, diesem Kampf führen könnten, wie ich es gelernt hatte.
Vorhersehungen funktionierten nicht nur visionär und plötzlich. Mondkinder wie Aurelia und ich konnten gezielt nach einer Aufspaltung des Lebensweges suchen, die einem bestimmten Ereignis vorausging. Diese eine wichtige Entscheidung, eine vielleicht unscheinbare kleine Handlung, die alles verändern konnte.
Meine Konzentration erreichte ihren Höhepunkt, als die Zeit an mir vorüberraste. Von einem zum nächsten Augenblick befand ich mich unter hunderten Menschen auf einem Festival. Aurelia stand urplötzlich neben mir.
»Es sieht nicht so aus, als wäre das die Zukunft, findest du nicht? Es gleicht einhundertprozentig der Szene aus Martins Gedanken.« Aurelia wirkte total verständnislos.
»Und ich habe schon befürchtet, bei mir wäre wieder etwas schief gelaufen«, entgegnete ich ihr. Wäre ja nicht das erste Mal. Meine Reisen auf dieser Ebene waren ungefähr so oft schief gelaufen, wie sie Gutes hervorgebracht hatten. »Versuchen wir es noch einmal?«
Aurelia nickte und nahm meine Hand. »So müssten wir noch stärker sein. Indem wir unsere Energie bündeln und unseren Geist verbinden.«
Die Szenerie um uns begann sich immer schneller zu drehen. Ich hatte aber das Gefühl, nicht von der Stelle zu kommen. Als das Kreisen ein Ende fand, sah ich, dass ich Recht behalten hatte. Wir hatten uns nicht von der Stelle bewegt.
»Wie ...«, Aurelia brach mitten in ihrer Frage ab, als sie einen genaueren Blick auf die Menschen um uns herum warf.
Maurice trat an das Lagerfeuer direkt vor uns. An seiner rechten Seite wurde er von einer Frau in einem langen schwarzen Kleid flankiert. Martin hatte den Platz am Lagerfeuer, den wir seiner Schilderung entnehmen konnten, bereits inne. Er wirkte sehr unruhig. Leon saß neben ihm und flüsterte ihm etwas zu, das Martin noch mehr zu beunruhigen schien. Leider konnten weder Aurelia noch ich ihre Gedanken lesen, weil es sich nicht um die reale Welt handelte. Maurice ging um das Feuer herum und unterhielt sich kurz mit Martin. Vermutlich erzählte er ihm von seinen Plänen. Anschließend rief er die schwarze Frau zu sich. Sie trat näher und nickte Martin zu. Als sie die schwere Kapuze des Umhangs von ihrem Kopf zog, konnten wir endlich ihr Gesicht sehen. Vor Schreck warf es mich zurück in meinen Körper.
Darian und Martin hatten sich keinen Millimeter bewegt. Ich hatte es geschafft! Doch das Glücksgefühl darüber, dass die Zeit hier nicht vergangen war, wurde sofort wieder von der Erinnerung an die Frau getrübt. Auch Aurelia öffnete wieder ihre Augen.
Darian
Es vergingen keine zwei Sekunden, ehe Victoria ihre Augen wieder öffnete. Kurz darauf war auch Aurelia wieder bei Bewusstsein und richtete sich sofort an Victoria: »Du warst so plötzlich weg. Ich hatte schon befürchtet, dass du wieder verloren gegangen bist und habe mich innerlich schon auf eine erneute Suche nach dir vorbereitet. Ich frage mich immer noch, warum wir dort gelandet sind. In der Vergangenheit ...« Aurelias Stimme wurde immer gedämpfter und ich hörte ihr nicht mehr zu, während
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