Düstere Sehnsucht - Feehan, C: Düstere Sehnsucht - Deadly Game
gelehrt, nur an die Wissenschaft zu glauben, und er hatte behauptet, Menschen, die an eine höhere Macht glaubten, seien Menschen, die eine Krücke brauchten. So etwas wie Gott gebe es nicht, und es gebe auch keinen Erlöser oder auch nur eine Lebensweise, die sich um etwas anderes als Disziplin und Pflichterfüllung drehte. Von ihrer frühesten Kindheit an war sie indoktriniert und zu dem Glauben erzogen worden, diejenigen, die Erbarmen und Mitgefühl hatten, seien verweichlicht – Schafe, Menschen, die auf jemanden warteten, der die Intelligenz und die Macht besaß, sie zu lenken.
Die meiste Zeit ihres Lebens hatte sie sich selbst als Versager angesehen, weil sie sich nicht strikt an Whitneys Lehren hielt. Sie liebte ihre Schwestern, und das meiste von dem, was sie tat, tat sie aus dem Wunsch heraus, sie zu beschützen und bei ihnen zu bleiben – und nicht etwa aus übermäßigem Pflichtbewusstsein. Sie hatte nie an etwas anderes als an ihre Schwestern geglaubt, aber jetzt betete sie, denn man konnte es schließlich nie so genau wissen. Und dann glitt, als hätte tatsächlich jemand ihr Flehen erhört, lautlos und ohne jede Vorwarnung die Tür auf, und sie wäre vor Schreck fast aus der Haut gefahren, als ein Mann durch den Spalt schlüpfte.
»Ken?« Sie krächzte seinen Namen und war immer noch nicht fähig, ihren schmerzenden Kopf von dem Kissen zu heben. Er war es, mit seinen breiten Schultern und den Armen aus Stahl, die sich um sie schlangen und
sie eng an ihn zogen. Sie schmiegte ihr tränenfeuchtes Gesicht an seine Brust. Er brach auf dem Bett zusammen, und sie merkte erst jetzt, dass er vor Schwäche zitterte. »Wie hast du es geschafft, hierherzukommen? Ich kann mich nicht von der Stelle rühren.«
»Du brauchst dich nicht zu rühren; ich wollte einfach nur bei dir sein. Mein Kopf fühlt sich an, als könnte er jeden Moment explodieren.« Er streckte sich neben ihr auf dem Bett aus, und seine Hände glitten über ihren Körper, um sich zu vergewissern, dass sie noch heil und ganz war. »Dein Mut jagt mir Angst ein.« In Wahrheit sah es so aus, dass sie ihn beschämt hatte. Wie sie es geschafft hatte, die Dinge auszuhalten, die sie ihr ganzes Leben lang ertragen hatte, ruhig dazustehen und es mit Sean und dem, was er ihr antun wollte, aufzunehmen, sich Ken, einem Mann, von dem sie wusste, dass er mindestens so gefährlich war, wahrscheinlich sogar noch gefährlicher, rückhaltlos auszuliefern – es überstieg nahezu sein Fassungsvermögen.
Plötzlich zuckte er zusammen. »Oh Gott, Kleines, du weinst ja. Du wirst mir noch das Herz brechen. Er ist jetzt fort. Du bist in Sicherheit. Ich bin da, und dir kann nichts mehr passieren.«
Er schlang seinen Körper schützend um ihren und fühlte ihr Beben und ihr tränennasses Gesicht an seiner Brust. Seine Finger gruben sich in ihr dichtes Haar, als er sie so nah wie möglich an sich zog und gegen jedes weitere Übel abzuschirmen versuchte. »Es tut mir leid, mein Liebling. Ich habe versucht, so schnell wie möglich herzukommen. Sie haben dich Höllenqualen erleiden lassen, und ich war nicht hier. «
Er bekam keine Luft, solange sie weinte. Seine Brust war wie zugeschnürt, seine Kehle wund, und Panik stieg
in ihm auf. »Hör jetzt auf zu weinen.« Seine Hände streichelten zärtlich ihr Haar. Er bedeckte ihr Gesicht mit Küssen und leckte die Tränen fort, weil er hoffte, sie würden endlich aufhören zu fließen. »Ich habe es versucht. Ich schwöre dir, dass ich mein Bestes getan habe.«
»Du warst hier, Ken, du warst doch hier; du hast mich gerettet, als ich es nicht mehr für möglich gehalten habe.« Da er jetzt bei ihr war, lebend und unverletzt, hätte sie es eigentlich schaffen sollen, nicht mehr zu weinen, aber irgendwie waren die Schleusentore geöffnet worden, und es wurde immer schlimmer; sie wechselte zwischen Schluckauf und Schluchzen ab und klammerte sich an ihn wie ein Kind. Mari wusste, dass sie sich am Morgen schämen würde, aber im Schutz der Dunkelheit fand sie den Mut, ehrlich zu sein. »Ich hatte solche Angst um dich.«
»Angst um mich?« Ken hauchte noch mehr Küsse auf ihr Haar und ihre Wangen. Seine Zähne kratzten über ihr Kinn, und dann küsste er ihre Mundwinkel. »Mir konnte nichts passieren. Du warst diejenige, die in Gefahr war. Ich dachte, ich würde den Verstand verlieren.« Seine Daumen wischten ihre Tränen weg.
Mari versuchte sich zusammenzureißen. Er machte keine Witze; ihre Tränen erschütterten ihn wirklich.
Weitere Kostenlose Bücher