Düstere Sehnsucht - Feehan, C: Düstere Sehnsucht - Deadly Game
unbedingt herausfinden, was Ken von Sean verlangte. Sie durfte ihn nicht unterbrechen, da dann zu befürchten stünde, Sean könnte zurückkommen und wissen, dass sie ihn nicht allein vertrieben hatte. Sie sah die Schlüsselkarte auf dem Boden, fand aber noch nicht einmal die Kraft, zu ihr zu kriechen. Alles, was ihre Persönlichkeit ausmachte, floss in diesen Energiestrom ein.
Sie lag mit geschlossenen Augen da, fühlte die wogende Brandung und erkannte, dass sie nicht mehr mit Ken allein war. Jack hatte sich ihnen angeschlossen und brachte seine übersinnlichen Energien ein, um Seans Bewusstsein weiterhin zu kontrollieren. Es gehörte nicht mehr ihm selbst, sondern war vollständig von den Norton-Zwillingen übernommen worden. Mari versuchte ihre eigenen
Energien zurückzuziehen, da sie sich davor fürchtete, Kens Bruder derart schutzlos ausgeliefert zu sein, doch sie waren zu fest miteinander verschweißt. Sie wurde weiter und immer weiter von ihrem eigenen Bewusstsein fortgezogen und wanderte durch ein Labyrinth von schmalen Gängen, die sie mit finsterer, todbringender Zielstrebigkeit absuchte.
16
ALS DAS GEFÜHL, durch ihr Bewusstsein strömten die immensen Energien der Zwillinge, längst abgeklungen war, lag Mari noch lange auf ihrem Bett und blickte zur Decke auf. Tränen rannen ihr aus den Augen, aber es war zu mühsam, sie fortzuwischen. Draußen vor ihrer Tür hörte sie jemanden, der Bretts Leiche entfernte, aber niemand sprach mit ihr. Das war ihr nur recht. Sie glaubte nicht, dass sie in der Lage gewesen wäre, Antworten zu geben.
Einmal fühlte sie ein Flattern in ihrem Bewusstsein und erkannte Camis Berührung, aber sie hatte nicht die Kraft zu antworten, obwohl sie wusste, dass sich die anderen Frauen Sorgen um sie machen mussten. Und sie hatten mit Sicherheit das Branden übersinnlicher Energien wahrgenommen. Diese Form von Kraft ließ sich vor niemandem verbergen, der selbst übersinnliche Anlagen besaß.
Ihr Bewusstsein fühlte sich ausgelaugt, ihr Körper so schwer wie Blei. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es Ken ging, aber er musste viel ärger dran sein als sie. Ihre Kopfschmerzen waren so ziemlich die schlimmsten, die sie jemals erlebt hatte, und raubten ihr die Orientierung. Und sie hatte wirklich schon schlimme Kopfschmerzen gehabt, denn durch den Einsatz von Telepathie und anderen übersinnlichen Energien wurden sie häufig hervorgerufen. Ihr Herz schlug zu schnell und zu heftig, und ihr war schwindlig und übel.
Sie stellte sich vor, Ken läge irgendwo in dem riesigen Gebäudekomplex auf dem Fußboden, von Feinden umgeben und angreifbar, und bei diesem Gedanken brach ihr der Schweiß aus. Sie bekam kaum noch Luft, weil sie dringend wissen musste, dass er am Leben, unverletzt und außer Gefahr war. Sie konnte keinen Kontakt zu ihm herstellen, und sie war sicher, dass er es umgekehrt getan hätte, um sie zu beruhigen, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre. Sie konnte nur daliegen, grässliche Ängste um ihn ausstehen und sich das Schlimmste ausmalen, ohne ihm helfen zu können.
Niemand konnte solche Mengen von Energien aufwenden, ohne körperlich bitter dafür zu büßen. Er hatte alles gegeben, was seine Persönlichkeit ausmachte, um sie zu retten. Sie hörte sich schluchzen. Ihre Brust hob und senkte sich. Es schockierte sie, dass sie tatsächlich auf ihrer Pritsche lag und schluchzte . Es waren keine stummen Tränen, sondern ein lautes Weinen, das jeder hören konnte. So etwas tat sie nicht. Niemals . Sie war Soldat und dazu ausgebildet, zu überleben. Nie, aber auch wirklich nie, gab man dem Feind Munition gegen sich in die Hand, und man gab ihm schon gar nicht die Genugtuung, dass man sich emotional aus dem Gleichgewicht bringen ließ.
Ihre gesamte Ausbildung schien in dem Moment von ihr abgefallen zu sein, und sie verlor jede Selbstbeherrschung. Sie musste wissen, dass er in Sicherheit war. Wie um alles in der Welt hatte die Verbindung zwischen ihnen so stark werden können, dass es sich nicht mehr nur um Sex drehte? Sie hatte geglaubt, sie könnte Momente in ihrem Leben haben, die den Rest erträglich machen würden, aber ihre Bekanntschaft mit Ken Norton hatte alles geändert. Sie war verändert. Er hatte ihr gezeigt, dass
das Leben anders sein konnte, dass Hoffnung für sie bestehen konnte, dass sie Träume haben konnte.
Gut zwei Stunden lang lag sie im Dunkeln und fragte sich, ob er noch lebte. Zum ersten Mal in ihrem Leben betete sie. Whitney hatte sie alle
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