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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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1. Kapitel
Das Ungeheuer
    Wir fanden das Ungeheuer auf einer Felsplatte hoch über dem See. Drei dunkle Tage waren mein Bruder und ich seiner Spur durch einen Irrgarten von Höhlen bis zu seinem Lager auf dem Gipfel des Berges gefolgt, und jetzt hatten wir es vor Augen, wie es da zusammengerollt auf seinem Schatz lag. Sein helles Fell und die Schuppen funkelten im Mondlicht.
    Es wusste, dass wir da waren. Mit Sicherheit hatte es uns gewittert, und nun saugten seine geweiteten Nüstern den Geruch ein, den unsere Furcht und unser Schweiß verbreiteten. Sein Kopf mit der Mähne hob sich leicht, irgendwie träge. Goldmünzen und Juwelen klirrten, als sich sein Körper langsam entrollte.
    »Töte es!«, brüllte ich mit dem Schwert in der Hand und die Klinge meines Bruders neben mir blitzte auf.
    Die Geschwindigkeit, mit der das Untier zuschlug, war unfassbar. Ich versuchte noch, mich zur Seite zu werfen, doch sein muskelbepackter Hals traf mich, und ich spürte, wie mein rechter Arm brach und nun nutzlos an meiner Seite baumelte. Aber meine Schwerthand war die linke, und mit einem Schmerzensschrei hieb ich auf seine Brust ein, doch meine Klinge prallte an seinen mächtigen Rippen ab.
    Ich nahm noch wahr, wie mein Bruder auf die unteren Körperteile des Untiers einschlug, immer auf der Hut vor dem um sich dreschenden, mit Stacheln bewehrten Schwanz. Wieder griff mich das Monster mit weit aufgerissenem Rachen an. Ich bearbeitete seinen Kopf mit der Klinge, versuchte, ihm ins Maul oder in die Augen zu stechen, doch es war schnell wie eine Kobra. Der Länge nach schmetterte es mich auf den Felsboden, gefährlich nahe am Rand des Abgrunds, dann wich es leicht zurück, jederzeit bereit, erneut zuzuschlagen. Plötzlich kreischte es auf vor Schmerz. Mein Bruder hatte eines seiner Hinterbeine abgeschlagen.
    Aber noch immer behielt das Ungeheuer nur mich im Auge, als wäre ich allein sein Widersacher.
    Ich stieß mich mit der unverletzten Hand ab, und noch ehe das Untier erneut zuschlagen konnte, warf ich mich ihm entgegen. Diesmal tauchte mein Schwert tief in seine Brust ein, so tief, dass ich es kaum wieder herausreißen konnte. Wie ein dunkles Band ergoss sich im Schein des Mondlichts eine Flüssigkeit aus der Wunde, das Ungeheuer richtete sich in seiner ganzen schrecklichen Größe auf, dann brach es zusammen.
    Sein Kopf krachte auf den Boden, und da, inmitten des blutgetränkten Fells und des zerschmetterten Schädels, tauchte das Gesicht eines wunderschönen Mädchens auf.
    Mein Bruder trat neben mich und gemeinsam blickten wir sie staunend an.
    »Der Fluch ist gebrochen«, sagte er zu mir. »Wir haben die Stadt gerettet. Und wir haben sie erlöst.«
    Das Mädchen schlug die Augen auf und blickte von meinem Bruder zu mir. Ich wusste, sie würde nicht mehr lange zu leben haben. In mir brannte eine Frage und ich kniete mich neben sie nieder.
    »Warum?«, fragte ich. »Warum hast du nur mich angegriffen?«
    »Weil du das eigentliche Ungeheuer bist«, flüsterte sie.
    Und mit diesen Worten starb sie. Erschüttert taumelte ich zurück. Mein Bruder konnte ihre Worte nicht verstanden haben, dafür waren sie zu leise gewesen, und als er mich fragte, was sie gesagt habe, schüttelte ich nur den Kopf.
    »Dein Arm«, sagte er besorgt und stützte mich.
    »Er wird heilen.«
    Ich wandte den Blick zu den aufgehäuften Schätzen.
    »Jetzt haben wir mehr, als wir jemals ausgeben können«, murmelte mein Bruder.
    Ich schaute ihn an. »Der Schatz gehört mir allein.«
    Erstaunt starrte er zurück, mein Bruder, der mir so sehr glich, dass wir dieselbe Person sein könnten. Und tatsächlich waren wir das auch, wir waren eineiige Zwillinge.
    »Was meinst du damit?«, fragte er.
    Ich hob mein Schwert, richtete die Spitze auf seine Kehle und zwang ihn so, Schritt für Schritt zum Rand des Abgrunds hin zurückzuweichen.
    »Warum können wir ihn nicht teilen«, wollte er wissen, »wie wir sonst immer alles geteilt haben?«
    Bei dieser Lüge lachte ich auf.
    »Zwillinge sind niemals völlig gleich«, sagte ich. »Auch wenn wir ein Körper sind, so sind wir doch nicht gleich, Bruder, denn du bist zwei Minuten früher geboren als ich. Selbst in unserer Mutter Schoß hast du mich bestohlen. Das Erstgeburtsrecht der Familie liegt bei dir. Und so groß dieser Schatz hier auch sein mag, gegen dieses Recht erscheint er wie ein Almosen für einen Armen. Aber doch will ich ihn, den gesamten Schatz. Und ich werde ihn bekommen.«
    In diesem Moment bewegte sich

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