Dune 01: Der Wüstenplanet
aus.
Stille!
»Schneller«, flüsterte Paul jetzt.
Jessica nickte, auch wenn sie sich darüber im klaren war, daß er ihre Bewegungen überhaupt nicht wahrnehmen konnte. Aber die Kopfbewegung hatte auch einen anderen Sinn: sie wollte sich einfach davon überzeugen, ob sie noch in der Lage war, andere Bewegungen als die, die ihrer Muskulatur seit geraumer Zeit übel mitspielten, auszuführen.
Die Sicherheit verheißende Felsformation vor ihnen schien nach den Sternen zu greifen, und Paul sah, daß sie einen Sandhügel würden hinauflaufen müssen, um sie zu erreichen. Als er seinen Fuß auf die Ausläufer der Sandbank setzte, atmete er auf und wandte sich um.
Ein plötzliches Donnern brachte die sandige Umgebung zum Erbeben.
Paul machte zwei Schritte nach links.
Rumms! Rumms!
»Trommelsand!« zischte Jessica.
Paul kämpfte verzweifelt ums Gleichgewicht. Der Sand geriet in Bewegung, und hinter ihnen ertönte ein Zischen, das dem des Windes nicht unähnlich war.
»Lauf!« schrie Jessica. »Paul, lauf!«
Sie rannten beide.
Der Trommelsand donnerte bei jedem Schritt unter ihren Füßen, aber sie schafften es, ihn zu überqueren, und die Änderung ihrer Fortbewegungsart führte dazu, daß ihre Muskeln sich für einen Moment entspannen konnten, auch wenn sie damit Geräusche hervorriefen, die der Wurm vernehmen und lokalisieren konnte. Der Sand zog an ihren Füßen, und das sich nähernde Zischen ihres Verfolgers wurde lauter und lauter.
Jessica stolperte und fiel auf die Knie. Alles, an was sie jetzt noch denken konnte, war der Wurm und der Schrecken, der von ihm ausging.
Paul zerrte sie hoch.
Sie rannten weiter, Hand in Hand.
Vor ihnen tauchte ein in den Sand gerammter Pfahl auf. Sie rannten an ihm vorbei, sahen einen zweiten, einen dritten ...
Jessica hörte auf, sie zu zählen.
Dann veränderte sich etwas in ihrer Umgebung. Ein Luftzug traf ihr Gesicht. Er kam aus einem Spalt in den Felsen.
Felsen!
Dann spürte sie ihn unter den Füßen und holte noch einmal alle verbliebenen Kräfte aus sich heraus.
Ein Riß in der Wand vor ihnen signalisierte einen Durchgang. Sie rannten darauf zu, warfen sich hinein und tauchten in einem Loch unter, das nicht größer als eine Nische war.
Hinter ihnen erstarben die Fortbewegungsgeräusche des Verfolgers. Jessica und Paul wandten sich um und spähten in die offene Wüste hinaus.
Dort, wo die Dünen begannen, etwa fünfzig Meter von ihnen entfernt, erhob sich ein silbergrauer Hügel aus dem Sand, der sich immer weiter in die Höhe hob und schließlich zu einem riesigen, suchenden Mund wurde, der im Mondlicht deutlich zu erkennen war, und er deutete genau in die Richtung, in der Jessica und Paul sich versteckt hatten. Durchdringender Zimtgeruch erreichte ihre Nasen und betäubte sie beinahe. Mondlicht reflektierte sich auf den kristallenen Zähnen.
Der gigantische Mund bewegte sich vor und zurück.
Paul hielt den Atem an.
Jessica duckte sich und starrte den Wurm an. Es kostete sie die allergrößte Anstrengung und Konzentration, nicht in einem hysterischen Anfall aufzuschreien.
Paul fühlte in sich einen Anflug von Überlegenheit. Erst kürzlich hatte er eine Barriere überquert, die ihn in ein völlig unbekanntes Territorium verschlagen hatte. Er konnte die Finsternis, die sich vor ihm ausbreitete, deutlich fühlen, aber sie war mit seinem inneren Auge nicht zu durchschauen. Es war, als hätte ihn irgendein vollzogener Schritt in einen Brunnen geworfen ... oder auf eine Ebene, von der aus die Zukunft nicht mehr deutlich war. Die Landschaft war einer tiefgreifenden Veränderung unterworfen worden.
Aber anstatt sich zu ängstigen, spürte er, wie die Sensation dieser relativen zeitlichen Dunkelheit seine anderen Sinne zu schärfen begann. Ihm wurde plötzlich bewußt, daß er alle Aspekte des Dings dort im Sand, das nach ihnen suchte, in sich aufnahm. Der Mund des Wurms hatte etwa acht Meter Durchmesser ... die kristallinen Zähne, die die gebogene Form von Crysmessern besaßen, glitzerten ... der nach Zimt riechende Atem des Geschöpfs ...
Der Wurm schob sich vor den Mond und verdunkelte damit die Umgebung. Ein Wirbel kleiner Steine und eine Welle von Sand ergoß sich über die kleine Nische, in der sie hockten.
Paul drängte seine Mutter weiter zurück.
Zimt!
Der Geruch durchdrang ihn völlig.
Was hat der Wurm mit der Melange zu tun? fragte er sich und dachte darüber nach, daß Liet-Kynes alle Anstrengungen unternommen hatte, jeglichen Zusammenhang
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