Dune 01: Der Wüstenplanet
Boden gerammt«, erklärte Paul. »Wenn er anfängt, seine Geräusche durch den Boden zu tragen, haben wir noch dreißig Minuten.«
»Dreißig Minuten?«
»Bevor er anfängt, einen Wurm auf sich aufmerksam zu machen.«
»Oh. Ich bin bereit.«
Paul ging zurück, und sie hörte, wie er das Gepäck aufnahm.
Diese Nacht ist wie ein Tunnel, dachte Jessica. Ein Tunnel, der ins Morgen führt ... falls es für uns überhaupt ein Morgen geben wird. Sie schüttelte den Kopf. Warum habe ich solche morbiden Gedanken? Sie stehen völlig im Widerspruch zu meiner Ausbildung!
Paul kehrte zu ihr zurück. Er hatte das Bündel wieder auf dem Rücken und begann als erster mit dem Abstieg. Er blieb erst wieder stehen, als er kurz vor der ersten Düne stand, und wartete auf seine Mutter. Als sie ihn erreichte, sagte er: »Wir müssen uns bewegen, ohne dabei in einen bestimmten Rhythmus zu verfallen.« Er rief sich die Bewegungen der Sandgänger in die Erinnerung zurück und benutzte dabei sowohl erlerntes wie auch voraussehendes Wissen. »Paß genau auf, wie ich es mache«, fuhr er fort. »Wir müssen genauso gehen wie die Fremen, wenn sie den Sand überqueren.«
Er marschierte jetzt genau in den Windkanal hinein und folgte der Kurve, die die Düne nahm, ging mit unregelmäßigem Schritt.
Jessica schaute ihm nach, bis er zehn Schritte gemacht hatte, und ging ihm dann, seine Bewegungen sorgfältig imitierend, nach. Jetzt wurde ihr klar, was sie damit hervorriefen. Für einen Wurm würden die Geräusche nun nichts anderes bedeuten als die, die der Wind erzeugte, wenn er den Sand bewegte. Auch wenn die Muskulatur des menschlichen Körpers gegen diese Art der Fortbewegung protestierte: sie hatten keine andere Wahl. Und so ging es denn weiter: Schritt ... den Fuß nachziehen ... Schritt ... den Fuß nachziehen ... Abwarten ... den Fuß nachziehen ... Schritt ...
Die Zeit schien endlos zu werden. Die vor ihnen liegende Felsformation schien nicht das geringste Stück näherzurücken, während diejenige, die sie gerade verlassen hatten, sich immer noch wie ein gigantischer Turm hinter ihnen in die Lüfte erhob.
Tapp! Tapp! Tapp! Tapp!
Die Geräusche, die plötzlich aus dem Hintergrund an ihre Ohren drangen, waren wie Trommelschläge.
»Der Klopfer«, zischte Paul leise.
Die plumpsenden Geräusche, die der Stab aussandte, waren so stark, daß sie sich zwingen mußten, ihren Rhythmus nicht daran anzupassen.
Tapp! Tapp! Tapp! Tapp!
Sie gerieten in eine vom Mondlicht übergossene Vertiefung, in der das pulsierende Geräusch noch deutlicher zu hören war. Aufwärts und abwärts. Dünen, Dünen, Dünen. Und immer die ungleichmäßigen Bewegungen: Schritt ... den Fuß nachziehen ... Schritt ... Abwarten ... Schritt ...
Und die ganze Zeit über warteten ihre Ohren auf ein ganz bestimmtes Zischgeräusch.
Als es schließlich erklang, war es so leise, daß es von den Tönen ihrer Schritte beinahe verschluckt wurde. Aber es wuchs an ... wurde lauter und lauter. Es kam von Westen her.
Tapp! Tapp! Tapp! Tapp! trommelte der Klopfer.
Dann erfüllte das Zischen die Nacht. Sie drehten die Köpfe und sahen den kleinen Sandhügel hinter sich, der den Ort markierte, an dem sich die Spitze des Wurmes befand.
»Nicht stehenbleiben«, flüsterte Paul. »Und schau nicht zurück.«
Aus dem Schattengebiet, das sie hinter sich gelassen hatten, ertönte das knirschende Geräusch eines Zusammenpralls in ohnmächtiger Wut.
»Nicht stehenbleiben«, wiederholte Paul.
Ihm war, als hätten sie nun einen Punkt erreicht, von dem aus ihr Ziel und ihr Aufbruchspunkt gleichermaßen groß erschienen.
Aber hinter ihnen schien jetzt die Hölle loszubrechen, in der der Wurm, der gegen das pulsierende Geräusch, das aus den Felsen zu ihm herüberdrang, sich austobte.
Sie gingen weiter und weiter und weiter. Die Muskeln begannen von der ungewohnten Fortbewegungsart zu schmerzen. Es machte ihnen schwer zu schaffen, doch wurden die vor ihnen liegenden Felsenhügel jetzt schnell größer.
Jessica schritt in beinahe hypnotischer Konzentration aus und wußte, daß es nur ihr trainierter Wille war, der dies bewirkte. Ihr Mund war ausgetrocknet und brannte, aber der sich hinter ihrem Rücken abspielende Kampf des Wurms gegen die Felsen ließ sie jeden Gedanken an einen schnellen Schluck aus dem Wasservorrat ihres Anzugs unterdrücken.
Tapp ... Tapp ...
Erneut wurden die zurückliegenden Felsenklippen von einem rasenden Anfall erschüttert. Der Klopfer hauchte sein Leben
Weitere Kostenlose Bücher