Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
können, daß die Maula-Pistole nicht mehr da ist, wo sie lag.« Sie deutete nach unten. »Wer hat sie an sich genommen?«
Niemand antwortete.
»Vielleicht könnte sie uns auf eine Spur bringen«, fuhr Jessica fort.
»Aber das ist doch Unsinn!« trumpfte Alia auf. » Ich war doch das ...«
Jessica wandte sich ihrer Tochter halb zu und machte eine Bewegung mit der linken Hand. »Irgend jemand dort unten besitzt jetzt diese Pistole. Fürchtest du nicht, daß ...«
»Eine meiner Wachen hat sie!« sagte Alia.
»Dann soll die Wache die Waffe zu mir heraufbringen«, verlangte Jessica.
»Sie hat sie bereits hinausgebracht.«
»Wie weitsichtig«, sagte Jessica spöttisch.
»Was willst du überhaupt?« fragte Alia.
Jessica lächelte grimmig. »Ich will dir klarmachen, daß ich zweien deiner Leute den Auftrag gab, den verräterischen Priester zu retten. Ich warnte sie, daß sie es mit ihren eigenen Leben bezahlen würden. Falls sie das nicht täten. Sie werden sterben!«
»Das verbiete ich!«
Jessica zuckte lediglich die Achseln.
»Vor uns steht immer noch dieser tapfere Fedaykin«, sagte Alia. »Laß uns mit dem anderen so lange warten, bis wir seine Sache gehört haben.«
»Ich kann bis in die Ewigkeit hinein warten«, erwiderte Jessica auf Chakobsa und drückte damit gleichzeitig aus, daß nichts auf der Welt in der Lage war, ein Todeskommando zum Stillstand zu bringen.
»Wir werden sehen!« sagte Alia. Sie wandte sich an al-Fali: »Was ist der Grund Ihres Hierseins, Ghadhean al-Fali?«
»Ich wollte die Mutter Muad'dibs sehen«, sagte der Naib. »Was noch übriggeblieben ist von den Fedaykin, jenem Bund von Brüdern, der ihrem Sohn gedient hat, legte zusammen, um mir die Reise durch die Reihen habgieriger Wächter, die die Atreides von den Realitäten Arrakis' abschirmen, zu ermöglichen.«
Alia sagte: »Wenn die Fedaykin etwas benötigen, brauchen sie nur zu ...«
»Er kam, um mich zu sehen«, unterbrach Jessica sie. »Was ist euer dringendstes Problem, Fedaykin?«
Alia sagte: »Ich spreche hier für die Atreides! Was ist ...?«
»Schweig still, du mörderische Verdammte!« schrie Jessica ungehalten. »Du hast versucht, mich zu ermorden, Tochter! Und ich sage es jetzt hier in aller Öffentlichkeit, damit jeder es hört. Du kannst nicht jeden in diesem Raum umbringen lassen wie diesen Priester, den man zum Schweigen brachte. Ja, der Schlag dieses Naibs hätte ihn umgebracht, aber möglicherweise hätte er noch gerettet werden können. Man hätte ihn verhören können – aber das paßte natürlich nicht in deine Pläne. Und jetzt kannst du deinen Protest lauthals herausschreien: Niemand wird dir glauben. Durch deine Taten hast du deutlich gezeigt, wo du stehst!«
Alia saß wie erstarrt da. Ihr Gesicht war totenbleich. Und Jessica, die sich die größte Mühe gab, die Emotionen ihrer Tochter zu ergründen, sah mit erschreckender Deutlichkeit, wie sich ihre Hand bewegte. Die Bewegung war ihr bekannt. Sie war der Hinweis auf den tödlichsten Feind der Atreides, den man je entdeckt hatte. Alias Finger bewegten sich in einem tappenden Rhythmus: Der kleine Finger zuckte zweimal, der Mittelfinger dreimal, der Ringfinger zweimal, der kleine Finger einmal, der Ringfinger zweimal ... und dann das Ganze noch einmal.
Der alte Baron!
Alia entdeckte plötzlich, daß Jessica auf ihre Finger starrte, warf selbst einen kurzen Blick auf die tänzelnde Hand und unterdrückte die Bewegung. Sie schaute ihre Mutter an und sah in deren Blick die plötzliche Erkenntnis. Wieder lächelte sie – beinahe lüstern.
»Also so willst du dich an uns rächen«, flüsterte Jessica.
»Bist du verrückt geworden, Mutter?« fragte Alia.
»Ich wünschte, ich wäre es«, sagte Jessica und dachte: Sie weiß, daß ich das der Schwesternschaft nicht werde verschweigen können. Sie weiß es genau. Sie wird sogar ahnen, daß ich es den Fremen sagen werde, die daraufhin ein Gottesurteil verlangen werden. Sie kann mich jetzt nicht mehr lebend hier herauslassen.
»Während wir streiten, wartet unser tapferer Fedaykin immer noch«, sagte Alia leichthin.
Jessica konzentrierte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den alten Naib. Ihre Gefühle langsam wieder unter Kontrolle bringend, sagte sie: »Sie kamen her, um mich zu sehen, Ghadhean.«
»Ja, Mylady. Wir, die wir aus der Wüste kommen, sehen schreckliche Dinge uns ereilen. Die kleinen Bringer verlassen den Sand, wie die alten Prophezeiungen es voraussagten. Man findet keinen Shai-Hulud mehr,
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