Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
aber wappnet euch gegen sie, das war die Parole. Wisse, daß sie tief im Genom des Menschen verankert ist – eine Sicherung, die festschreibt, daß die Spezies nicht ausstirbt. Man bediente sich ihrer, wo es notwendig war, instruierte ausgewählte Individuen (die manchmal füreinander bestimmt waren) über die Ziele der Schwesternschaft, weil man wußte, daß solche Individuen von starken Banden gehalten wurden, ohne daß sie ihnen je auffielen. Andere entdeckten vielleicht Verbindungen dieser Art und hintertrieben deren Konsequenzen, aber die so Verbundenen tanzten zu einer Musik, die für sie unhörbar war.
»Ich wollte damit nicht andeuten, daß es ein Fehler wäre, ihn zu instruieren«, sagte Lucilla tadelnd. Sollte Schwangyu doch denken, was sie wollte!
»Dann bist du also nicht dagegen, den Ghola nach Rakis zu bringen«, sagte Schwangyu. »Ich frage mich, ob du diesen Kadavergehorsam weiterhin an den Tag legen wirst, wenn du die ganze Geschichte kennst.«
Lucilla holte tief Luft. Würde sie jetzt den gesamten Plan, der hinter den Duncan Idaho-Gholas steckte, erfahren?
»Auf Rakis lebt ein Mädchen, das Sheeana Brugh heißt«, sagte Schwangyu. »Ihr gehorchen die Riesenwürmer.«
Lucilla verbarg ihre Aufregung. Riesenwürmer. Nicht Shai-Hulud. Nicht Shaitan. Riesenwürmer. Der Sandreiter, den der Tyrann prophezeit hatte, war endlich aufgetaucht!
»Das ist kein leeres Geschwätz«, sagte Schwangyu auf Lucillas fortwährendes Schweigen hin.
Bestimmt nicht, dachte Lucilla. Und du benennst ein Ding nach seinem Äußeren, nicht mit dem Namen seiner mystischen Bedeutung. Riesenwürmer. Und du denkst wirklich an den Tyrannen, an Leto II., dessen endloser Traum in jedem dieser Würmer wie eine Perle des Bewußtseins weiterlebt. So sollen wir jedenfalls glauben.
Schwangyu deutete mit dem Kopf auf das unter ihnen auf dem Rasen stehende Kind. »Glaubst du, ihr Ghola wird fähig sein, das Mädchen zu beeinflussen, das die Würmer reiten kann?«
Zumindest entblättern wir endlich etwas, dachte Lucilla. Sie sagte: »Ich sehe keinen Grund, auf diese Frage zu antworten.«
»Du bist eine besonders Vorsichtige, wie?« sagte Schwangyu.
Lucilla krümmte den Rücken und reckte sich. Vorsichtig? Ich? Aber gewiß! Taraza hatte sie gewarnt: »Was Schwangyu angeht, so mußt du zwar schnell, aber mit äußerster Vorsicht handeln. Wir haben nur eine sehr kleine Chance, wenn wir erfolgreich sein wollen.«
Erfolgreich worin? fragte sich Lucilla. Sie musterte Schwangyu aus den Augenwinkeln. »Ich sehe nicht, wieso die Tleilaxu elfmal das Glück gehabt haben sollen, einen Ghola zu töten. Wie sind sie durch unsere Abwehr gekommen?«
»Wir haben den Bashar jetzt«, sagte Schwangyu. »Vielleicht kann er eine Katastrophe verhindern.« Ihr Tonfall strafte ihre Worte jedoch Lügen.
Die Mutter Oberin Taraza hatte gesagt: »Du bist die Instruktorin, Lucilla. Wenn du nach Gammu gehst, wirst du einen Teil der Verschwörung erkennen. Aber um dein Ziel zu erreichen, brauchst du keinen Gesamtüberblick.«
»Denk an die Kosten!« sagte Schwangyu und schaute auf den Ghola hinunter, der nun auf den Fersen hockte und Grasbüschel rupfte.
Lucilla wußte, daß die Kosten keine Rolle spielten. Viel wichtiger war das offene Einräumen eines Fehlschlags. Die Schwesternschaft durfte ihre Fehlbarkeit nicht offenbaren. Aber die Tatsache, daß man so früh schon eine Instruktorin gerufen hatte, deutete auf die Unerläßlichkeit des Projekts hin. Taraza hatte gewußt, daß die Instruktorin dies und einen Teil der Verschwörung erkennen würde.
Schwangyu deutete mit ihrer knochigen Hand auf das Kind, das nun zu seinem einsamen Spiel zurückgekehrt war und sich auf dem Gras tummelte.
»Politik«, sagte sie.
Kein Zweifel, daß die Politik der Schwesternschaft den Kern von Schwangyus Ketzerei ausmachte, das war Lucilla klar. Die heikle Angelegenheit einer Auseinandersetzung in den eigenen Reihen konnte man von der Tatsache ableiten, daß man Schwangyu zur Befehlshaberin der Festung hier auf Gammu gemacht hatte. Wer zu Taraza in Opposition stand, weigerte sich auch, an ihrer Seite zu sitzen.
Schwangyu wandte sich um und schaute Lucilla offen an. Es war genug gesagt worden. Und man hatte auch genug gehört und aufgenommen. Beide Frauen verfügten über einen scharfen Verstand. Sie waren von den Bene Gesserit ausgebildet worden. Das Domstift hatte diese Lucilla mit größter Sorgfalt ausgewählt.
Lucilla spürte zwar, daß die Alte sie vorsichtig
Weitere Kostenlose Bücher