Dune 06: Die Ordensburg des Wüstenplaneten
anderen uns sehen«, hatte Odrade selbst einst gesagt.
Scytale hielt auch dies für typisch, aber ihre Worte stimmten nicht mit dem Großen Glauben überein. Nur Gott sah das höchste Ich! Odrades Prahlerei hatte den Klang der Hybris.
»Sie erzählen Lügen nicht beiläufig. Die Wahrheit dient ihnen besser.«
Darüber hatte er oft nachgedacht. Die Mutter Oberin zitierte dies höchstpersönlich als Bene Gesserit-Gesetz. Aber da blieb immer noch die Tatsache, daß die Hexen den Eindruck erweckten, sie sähen die Wahrheit zynisch. Sie wagte sogar zu behaupten, dies sei Zensunni. »Wessen Wahrheit? Auf welche Weise modifiziert? In welchem Kontext?«
Am vergangenen Nachmittag hatte sie in seinem Nicht-Schiff-Quartier gesessen. Er hatte um eine ›Beratung bezüglich gemeinsamer Probleme‹ gebeten – seine Umschreibung für einen Handel. Sie waren allein gewesen – wenn man von den Kom-Augen und dem Kommen und Gehen wachsamer Schwestern absah.
Seine Unterkunft war äußerst komfortabel: drei plazwandige Räume in beruhigendem Grün, ein weiches Bett, und verkleinerte Sitzgelegenheiten, die auf seine Körpergröße abgestimmt waren.
Es war ein ixianisches Nicht-Schiff, und er fühlte sich ziemlich sicher, daß seine Bewacher keine Ahnung hatten, wieviel er von ihm kannte. Soviel wie die Ixianer. Ixianische Maschinen umgaben ihn überall, aber nicht ein einziger Ixianer. Er bezweifelte, daß auch nur ein einziger Ixianer in der Ordensburg lebte. Die Hexen waren bekannt dafür, daß sie ihre Gerätschaften selbst instand hielten.
Odrade bewegte sich. Sie sprach langsam und beobachtete ihn sorgfältig. »Sie sind nicht impulsiv.« Auch das bekam man oft zu hören.
Sie fragte, ob er es bequem habe und schien um ihn bekümmert zu sein.
Scytale sah sich in seinem Wohnzimmer um. »Ich sehe keine Ixianer.«
Sie schürzte verärgert die Lippen. »Haben Sie deswegen um ein Gespräch gebeten?«
Natürlich nicht, Hexe! Ich praktiziere nur die Kunst der Ablenkung. Du würdest doch nicht erwarten, daß ich Dinge zur Sprache bringe, die ich gern verheimlichen würde. Warum also sollte ich deine Aufmerksamkeit auf die Ixianer richten, wenn ich weiß, wie unwahrscheinlich es ist, daß ihr irgendwelche gefährlichen Eindringlinge frei auf eurem verfluchten Planeten herumlaufen laßt? Ahhh, die vielgepriesene Verbindung nach Ix, die wir Tleilaxu so lange aufrechterhalten haben. Ihr wißt davon! Ihr habt Ix in bemerkenswerter Weise mehr als einmal zur Ader gelassen.
Die Technokraten von Ix zögern vielleicht, die Bene Gesserit zu irritieren, war sein Gedanke, aber sie würden äußerst vorsichtig sein, nicht die Wut der Geehrten Matres auf sich zu ziehen. Die Gegenwart des Nicht-Schiffes deutete auf heimliche Geschäfte hin, aber der Preis mußte ungeheuer gewesen sein – und die Verhandlungen außergewöhnlich. Schmutzig, diese Huren aus der Diaspora. Vielleicht brauchten sie Ix ebenfalls, nahm er an. Und Ix betrog die Huren möglicherweise im geheimen, um zu einem Abkommen mit den Bene Gesserit zu gelangen. Aber die Grenzen waren eng gesteckt – und die Möglichkeiten des Verrats zahlreich.
Diese Gedanken beruhigten ihn in seinem Handel. Odrade, in reizbarer Stimmung, beunruhigte ihn mehr als einmal mit Schweigsamkeit, während sie ihn in der verunsichernden Weise der Bene Gesserit ansah.
Das Handelspotential war riesig – nichts weniger als das Überleben für jeden von ihnen, und dabei blieb jene dürftige Sache stets im Topf: Aufstieg, Kontrolle über das menschliche Universum, der Beständigkeit der eigenen Sache als dominantes Modell.
Gebt mir eine kleine Öffnung, die ich erweitern kann! dachte Scytale. Gebt mir meine persönlichen Gestaltwandler! Gebt mir Diener, die nur meinem Willen unterworfen sind!
»Ich bitte nur um eine Kleinigkeit«, sagte er. »Ich möchte etwas persönlichen Komfort; eigene Diener.«
Odrade musterte ihn weiterhin mit dem abschätzenden Blick, der den Bene Gesserit zu eigen war, wenn sie hinter eine Maske zu schauen und tief in einen hineinzusehen schienen.
Aber ich verfüge über Masken, die ihr nicht durchdrungen habt.
Er konnte erkennen, daß sie ihn abstoßend fand. Man sah es daran, wie ihr Blick sich auf jeden seiner Züge konzentrierte. Scytale wußte, was sie jetzt dachte. Eine Zwergengestalt mit schmalem Gesicht und Koboldaugen. Wirbellos. Ihr Blick sank tiefer: Ein kleiner Mund mit scharfen Zähnen und angespitzten Fängen.
Scytale wußte, daß er eine Gestalt aus den
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