Dune 07 - Die Jäger des Wüstenplaneten
aber nicht ein einmaliges Kunstwerk.
»Vielleicht bin ich nicht die, für die du mich gehalten hast. Allerdings kann ich – mehr als jeder andere – dem Mythos nicht gerecht werden, der um mich herum aufgebaut wird. Hat der Sheeana-Kult immer noch Anhänger da draußen im Alten Imperium? Verehrt eure erfundene Religion mich immer noch als Engel und Erlöser?«
Die Bene Gesserit wusste um die Macht des unermüdlichen Glaubens in großen Bevölkerungskreisen. Die Schwestern nutzten Religionen als Waffen – sie schufen sie, lenkten sie und ließen sie frei, wie man einen Pfeil von der Bogensehne schnellen ließ.
Religionen waren sehr merkwürdig. Sie wurden mit dem Aufstieg eines starken und charismatischen Führers geboren, doch dann wurden sie viel mächtiger, nachdem diese Galionsfigur gestorben war, was insbesondere bei einem Märtyrertod der Fall war. Keine Armee kämpfte jemals entschlossener ohne ihren Bashar, keine Regierung wurde jemals mächtiger ohne ihren König oder Präsidenten, doch eine Religion ohne Sheeana breitete sich schneller aus, sobald die Gläubigen überzeugt waren, dass sie nicht mehr lebte. Sheeanas ungewöhnliche Lebensgeschichte hatte der Missionaria Protectiva genügend Material geliefert, um damit zu arbeiten und die Fanatiker in Scharen anzulocken.
Hier in ihrem stillen, friedlichen Quartier war sie froh, weit von all dem entfernt zu sein.
Beim Gedanken daran, dass sie eine angebliche Märtyrerin war, die zur Grundlage einer mächtigen Religion wurde, spürte sie, wie ein anderes Leben in ihr erwachte und sich als ferne, uralte Stimme bemerkbar machte: Sowohl Muad'dib als auch Liet-Kynes haben vor der Gefahr gewarnt, einem charismatischen Helden zu folgen.
Wenn die Leben in ihr es erlaubten, tauchte sie gerne immer tiefer in die Stammlinien der Weitergehenden Erinnerungen ein, blickte in immer fernere Epochen der Vergangenheit, in die Stromschnellen und toten Arme des Flusses der Geschichte. »Dem stimme ich zu. Das ist der Grund, warum jene, die ihr Leben für eine solche Sache opfern würden, beobachtet und gelenkt werden müssen.«
Gelenkt oder verführt?
»Der Unterschied ist nur ein sprachlicher und kein substanzieller.«
Es gibt Zeiten, in denen die Verführung der Massen die einzige Möglichkeit darstellt, eine angemessene Verteidigungslinie zu bilden. Eine Kampftruppe aus Fanatikern kann jede beliebige Zahl feindlicher Waffen überwinden.
»Das hat Paul Muad'dib bewiesen. Sein blutiger Djihad hat die Galaxis erschüttert.«
Die andere Stimme lachte leise in ihr. Er war keineswegs der Erste, der eine solche Taktik eingesetzt hat. Er hat viel aus der Vergangenheit gelernt. Er hat viel von mir gelernt.
Sheeana richtete ihren inneren Blick tief in ihren Geist. »Wer bist du?«
Ich bin jemand, der mit diesem Thema besser als die meisten anderen vertraut ist. Besser als fast jeder andere. Die Stimme hielt inne. Ich bin Serena Butler. Ich habe den größten aller Djihads ausgelöst.
* * *
Während ihr Serena Butlers Warnung noch frisch im Gedächtnis war, schritt Sheeana durch einen Korridor in den unteren Decks. Angesichts all der Fraktionen an Bord der Ithaka, jede mit ihren eigenen Zielen und Verfälschungen, kannte Sheeana nur eine unvoreingenommene, wenn auch unergründliche Informationsquelle: die vier gefangenen Futar.
Die Geschöpfe hatten keine weiteren Schwierigkeiten bereitet, seit vor fünf Jahren eines aus dem Bunker entkommen war und eine Schwester getötet hatte, eine unbedeutende Proctor. Sheeana hatte die Tiermenschen gelegentlich besucht und bereits mit allen gesprochen, doch bislang waren ihre Versuche, an nützliche Informationen zu gelangen, erfolglos gewesen. Allerdings hatte Serena Butler sie nun auf eine neue Idee gebracht – religiöse Ehrfurcht als Werkzeug zu benutzen.
Zuversichtlich, dass sie sich notfalls schützen konnte, ließ sie den Futar, der sich Hrrm nannte, aus der großen Kammer frei, in der sie jetzt lebten. Vor Jahren, als Hrrm ungehindert durch die unteren Korridore gestreift war, hatte sie alles Mögliche getan, um ihm und seinen Artgenossen mehr Platz zur Verfügung zu stellen. Sie waren Raubtiere, tödliche Wesen, und sie brauchten viel Auslauf. Also hatte Sheeana zusätzliche Sicherheitssysteme in einer Lagerhalle mit gepanzerten Wänden installieren lassen und mehrere Proctoren und einige der hart arbeitenden Juden des Rabbis angewiesen, eine simulierte Umgebung zu schaffen. Die Futar ließen sich dadurch nicht
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