Dunkel ist die Zukunft
zu schlafen, in dem Bob ihre Maschine versteckt hatte. Äußerlich eine Ruine, verbarg sich hinter dem feuergeschwärzten Tor ein großer, wohlbestückter Lagerraum, in dem die Wastelander alle möglichen Gegenstände aufbewahrten, die sie von ihren Streifzügen mitgebracht hatten. Bei einer Menge Dinge konnte sich Charity beim besten Willen nicht vorstellen, was sie damit anfangen wollten - wie zum Beispiel einem halben Dutzend beschädigter Fernsehempfänger oder einer ganzen Kiste voller kleiner, silberfarbener CD-Platten —, aber vermutlich konnte man gerade in einer solchen Welt einfach alles gebrauchen. Charity war sehr müde, obwohl es noch früh war, doch auch die Wastelander hatten sich schon zur Ruhe begeben. Bob hatte ihr ein Lager aus Decken und Kleidungsstücken bereitet, auf das sie sich beinahe sofort ausstreckte. Trotzdem fand sie keinen Schlaf. Zu viel ging ihr durch den Kopf, zu viele Fragen waren nicht beantwortet worden. Alles war so ... so anders, als sie es sich vorgestellt hatte. Nicht, daß sie irgendeine auch nur halbwegs klare Vorstellung von dem gehabt hätte, was sie erwarten mochte, aber sie wußte zumindest, was sie nicht erwartet hätte: nämlich eine postatomare Wüstenlandschaft, in der die wenigen Überlebenden von mo-torradfahrenden Mad-Max-Imitatoren terrorisiert wurden. Sie lag lange wach, grübelte und starrte die rußgeschwärzte Decke über sich an, ohne das Durcheinander hinter ihrer Stirn ordnen zu können. Draußen wurde es dunkel, und mit der Nacht drangen sonderbare Geräusche zu ihr herüber. Schließlich - sie sah auf ihre überflüssige Uhr und stellte fest, daß gute zwei Stunden vergangen waren, seit sie sich hingelegt hatte - stand sie wieder auf, hängte sich ihre MP über die Schulter und verließ die Scheune.
Es war kalt geworden. Der Mond stand als riesige, runde Scheibe am Himmel und überschüttete die Ebene mit silbernem Licht, in dem sich die Schatten wie finstere Schluchten abhoben. Der Wind trug sonderbar beunruhigende Laute herüber. Nervös drehte Charity sich einmal um ihre Achse, stellte erleichtert fest, daß sie allein war, und lehnte sich gegen das Scheunentor. Vor ihr erstreckte sich die Ebene, und auf der anderen Seite erhoben sich die Berge, aus denen sie gestern abend erst geflohen war. Und zu denen sie zurückkehren würde, dachte sie. Morgen, sobald die Sonne aufging. Sie hatte Angst davor, aber gleichzeitig wußte sie auch, daß sie keine andere Wahl hatte. Ihr Blick fiel auf einen kleinen mattglänzenden Gegenstand, der neben der Tür im Staub lag. Sie hob ihn auf und erkannte im schwachen Mondlicht, daß es sich um eine der Waffen handelte, die sie schon einmal bei Net gesehen hatte - ein gut zwanzig Zentimeter langer, klobiger Stab aus Holz, der sehr schwer war und keine sichtbare Öffnung hatte. Als sie ihn in der Hand drehte, spürte sie ein schwaches Vibrieren, als bewege sich etwas in seinem Inneren. »Ich würde das weglegen, wenn ich du wäre«, sagte ein dünnes Stimmchen hinter ihr. Charity schrak zusammen, drehte sich herum und blinzelte überrascht auf Gurk herab, der wie aus dem Nichts hinter ihr aufgetaucht war. Aber sie verbiß sich die Frage, wie zum Teufel er das geschafft hatte. »Und ich wäre sehr vorsichtig damit«, fügte Gurk hinzu. »So?« sagte sie nur. Gurk streckte die Hand aus, nahm ihr den Stab aus den Fingern und schob ihn mit einer ganz und gar unvorsichtigen Bewegung unter seinen Gürtel. »Eine primitive Waffe, aber trotzdem ziemlich effektiv«, sagte er. »Der Stab ist hohl, weißt du? In seinem Inneren sind nur ein paar Springmaden.« »Was ist das?« Gurk grinste. »Ein paar niedliche kleine Tierchen. Sie stammen von einem Planeten, dessen Namen ich lieber nicht auszusprechen versuche. Ich habe keine Lust, mir die Zunge zu verknoten. Sie sind immer hungrig, weißt du? Wenn du auf den Auslöser drückst, dann wird eine von ihnen freigelassen und stürzt sich auf das erstbeste warmblütige Lebewesen, das es wittert. Sie sind ekelhaft schnell. Und ihr Gift wirkt auf der Stelle.« Er zog eine Grimasse. »Ich muß mit Dad reden. Irgendwann wird noch ein Unglück passieren, wenn Net ihre Waffen weiter einfach so herumliegen läßt.« Er legte den Kopf schräg und sah Charity nachdenklich an. »Ich weiß, was du denkst«, sagte er. »So?« Gurk nickte. Seine dürre Greisenhand deutete auf die Berge im Osten. »Das Mädchen redet Unsinn«, sagte er, in einem sehr ernsten, fast schon
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