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Dunkel ist die Zukunft

Dunkel ist die Zukunft

Titel: Dunkel ist die Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Eines ist wie das andere. Mein Vater und mein Großvater waren Wastelander. Welchen Nutzen hat es, sich zu merken, wie viele Jahre vergangen sind?« Charity hob hastig ihre Tasse und trank, um Dad nicht zu zeigen, wie sehr sie seine Antwort entsetzte. »War das bei euch anders?« erkundigte sich Bob. Charity nickte. »Ja. Wir ... wir haben die Jahre gezählt.« »Aber das ist völlig sinnlos«, sagte Net. Charity wollte eigentlich gar nicht antworten, aber irgend etwas brachte sie dazu, ihre Tasse abzustellen und das Mädchen anzusehen. »Wir zählen nicht nur die Jahre, wir zählen auch die Tage und die Stunden«, antwortete sie. »Und wozu?« Charity seufzte. »Manchmal ist es ganz praktisch, weißt du? Wenn ich sage, daß ich fortgehe und in zwei Stunden wieder hier bin, dann mußt du zum Beispiel nicht die ganze Zeit herumstehen und auf mich warten, sondern bist pünktlich zur vereinbarten Zeit wieder am Treffpunkt.« »Woher soll ich genau wissen, wann zwei Stunden vorüber sind?« fragte Net. »Niemand kann das so genau schätzen.« »Ich schon«, widersprach Charity heftig. Nets Fragerei begann ihr auf die Nerven zu gehen. Aber schließlich war sie selbst schuld. »Ich kann dir sogar sagen, wann eine Minute vorüber ist. Man kann es messen. Mit einer Uhr.« Sie hob den Arm und streifte die Jacke zurück, damit das Mädchen ihre Armbanduhr sehen konnte. »Siehst du? Bis auf den Augenblick genau. Ich bin jetzt genau seit vier Stunden und zweiunddreißig Minuten bei euch.« Net beugte sich neugierig vor, betrachtete das Ziffernblatt der Uhr interessiert und ließ sich wieder zurücksinken. »Trotzdem ist es nutzlos«, sagte sie stur. »Und gefährlich.« Gefährlich? Charity sah sie verwirrt an, aber sie verzichtete darauf, eine Frage zu stellen. Es gab Wichtigeres zu klären. »Dabei fällt mir ein, daß ich nicht mehr allzu lange bleiben kann«, fuhr sie in bewußt beiläufigem Ton fort. »In welche Richtung muß ich fahren, wenn ich auf andere Menschen treffen will?« »Nur ein paar Meilen nach Norden«, sagte Gurk grinsend, »und schon bist du bei den Sharks.« Charity schenkte ihm einen giftigen Blick und wandte sich an Dad. »Es gibt doch außer den Sharks und euch sicher noch andere?« »Du fährst heute nirgendwo mehr hin«, bestimmte Dad, statt ihre Frage zu beantworten. »Es wird bald Nacht. Die Ebene ist für dich zu gefährlich. Trotz deiner Waffen.« »Und morgen früh?« sagte Charity, womit sie sein Angebot, hier zu übernachten, stillschweigend annahm. Dad überlegte einen Moment, dann zuckte er mit den Achseln. »Andere Menschen? Sicher, es gibt sie. Aber ... im Norden sind die Sharks, im Osten die Berge und im Süden und Westen die große Ebene. Was dahinter liegt, weiß ich nicht.« Charity stöhnte auf. Aus diesen Leuten würde sie nichts herausbringen. Doch plötzlich fiel ihr etwas ein, das sie die ganze Zeit über hatte fragen wollen und aus einem ihr selbst unbegreiflichen Grund einfach vergessen hatte. Mit einem fragenden Blick wandte sie sich an Net. »Gestern nacht«, sagte sie. »Wie hast du mich da genannt? Eine Tiefe? Wer soll das sein?« »Es gibt eine Legende«, sagte Gurk sehr hastig. »Das ist keine Legende!« fuhr Net den Gnom an. »Es gibt sie! Jedermann weiß das!« Gurk zog eine Grimasse und wollte etwas entgegnen, aber Charity gebot ihm mit einer ärgerlichen Handbewegung zu schweigen. »Ein anderes Volk, so wie eures?« erkundigte sie sich. »Sie sind nicht wie wir!« widersprach Net heftig. »Sie sind ... « Sie suchte nach Worten. »Sie töten«, sagte sie schließlich. »Sie sind wie du. Tragen sonderbare Kleider und reden Dinge, die niemand versteht, und sie haben auch Waffen wie du. Und sie töten jeden, der in ihr Gebiet kommt.« »Und wo liegt dieses Gebiet?« fragte Charity erregt. »Sie leben unter der Erde. Irgendwo in den Bergen«, antwortete Net. »Da, wo ich dich getroffen habe. Deswegen dachte ich ja, du wärst eine von ihnen. Vielleicht bist du es ja.« »Unsinn!« unterbrach sie Gurk aufgebracht. »Du und deine Tiefen! Hirngespinste sind das. Niemand hat sie je gesehen, oder?« »Das hat man doch!« rief Net aufgebracht. »Sonst wüßte man ja nicht, daß es sie gibt, oder?« Charity wurde plötzlich sehr nachdenklich.
    Charity war Dad und seiner Familie im nachhinein sehr dankbar dafür, die Nacht bei ihnen verbringen zu können; aber sie lehnte Nets Angebot ab, das Bett mit ihr zu teilen, und zog es vor, in dem Schuppen

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