Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkel ist die Zukunft

Dunkel ist die Zukunft

Titel: Dunkel ist die Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
verdammten Zwerg.« »Auch lebend und unverletzt?« fragte Raoul. Skudder antwortete erst nach einer Weile. »Lebend«, sagte er. 

Kapitel 7

    Die Nacht war wie eine schwarze Wand, in die sie hineingelaufen war. Während der ersten zehn Minuten rannte sie einfach, blindlings und beinahe ziellos, stürmte durch Dickicht und dürres Geäst. Es kam Charity gar nicht richtig zu Bewußtsein, daß sie auf diese Weise früher oder später sehr wohl in eine wirkliche Schlucht stürzen konnte. Für Minuten hatte sie Panik übermannt; es war pures Glück, daß sie sich in dieser Zeit nicht selbst umbrachte oder den Sharks geradewegs wieder in die Arme lief. Aber schließlich übernahm ihr bewußtes Denken wieder die Kontrolle über ihre Handlungen. Sie lief langsamer, versuchte sich zu orientieren - ein Vorhaben, das sie rasch wieder aufgab - und blieb schließlich stehen, um zu lauschen. Im ersten Moment hörte sie nur das Hämmern ihres eigenen Herzschlages und ihre eigenen, lauten Atemzüge, aber nach einer Weile begann sie andere Geräusche zu identifizieren - das Heulen des Windes, hier und da ein gedämpftes Knacken, das ihr verriet, daß sie nicht das einzige Lebewesen in dieser Einöde war, und ganz leise die Stimmen der Sharks. Aufmerksam sah sie sich um, entdeckte nicht weit entfernt einen Felsen, der die Ebene wie ein einsamer Wachtturm überragte, und machte sich an den Aufstieg. Aber sie war kaum einen Meter weit gekommen, als sie verwirrt innehielt. Was im blassen Silberlicht des Mondes wie ein Fels ausgesehen hatte, war in Wahrheit eine von Moos überwucherte, verwitterte Ruine. Ohne es zu bemerken, war sie die ganze Zeit durch eine Ruinenlandschaft gelaufen: Schwarze Steinhaufen schimmerten im Mondlicht, alte Stahlträger stachen in den Nachthimmel. Es war eine verfallene Stadt - eine Stadt, die sie vielleicht gekannt hatte. Diese Erkenntnis erschreckte sie, und plötzlich wußte sie, wo sie war, zweifelsfrei ... Der zerborstene Turm, vor dem sie stand, hatte einmal zu einer kleinen, weißen Kirche gehört, das Schiff war verschwunden, aber es gab keinen Zweifel: Auf der Vorderfront des Schuttberges neben ihr hatten einmal die Buchstaben TOWN HALL gestanden. Es war Brainsville. Drei Monate vor ihrer Flucht in den Bunker war sie hier gewesen, und dann noch einmal am Abend der Katastrophe, aber da hatte die Stadt schon gebrannt. Der Gedanke erschreckte sie. Zum ersten Mal sah sie wirklich, was mit ihrer Welt geschehen war. Alles andere, die Berge, die Ebene, die zerfallene Farm, selbst die Sharks, gehörte zu einer völlig anderen Welt, in die sie hineingeschleudert worden war, aber Brainsville war der erste wirkliche und unleugbare Beweis, daß es sie nicht auf einen anderen Planeten oder in ein anderes Universum verschlagen hatte. Charity schauderte. Es fiel ihr schwer, die Lähmung abzuschütteln, mit der dieses jähe Wiedererkennen sie erfüllte, und sich in Erinnerung zu rufen, warum sie eigentlich hier war. Irgendwo in den Ruinen hörte sie ein Geräusch. Charity fuhr zusammen, griff ganz instinktiv nach dem leeren Halfter an ihrer Seite und wurde sich schmerzhaft der Tatsache bewußt, daß sie unbewaffnet war. Wenigstens wußte sie endlich, wo sie sich befand. Sie war nur ein paar Meilen vom Haupteingang des Bunkers entfernt - fünf, sechs Meilen bergauf. Alles andere als ein Spaziergang, aber mit etwas Glück konnte sie es schaffen, ehe es Tag wurde. Wieder - und nicht zum letzten Mal - kamen ihr Zweifel. Vielleicht hatte Gurk ja recht gehabt, und es war nichts als eine Legende, und vielleicht fand sie statt den sagenumwobenen Tiefen nur eine ausgebrannte Ruine - aber wenn es sie gab, dann wußte sie, wo sie sie suchen mußte. In den Ruinen von SS Nulleins.
    Es wurde wirklich kein Spaziergang. Die Sharks hatten ihr auch ihre Uhr abgenommen, so daß sie nicht wußte, wie lange sie so durch die Nacht irrte, aber es waren Stunden. Charity fühlte sich bald so erschöpft, daß sie sich am liebsten einen Platz zum Schlafen gesucht hätte, ganz egal, ob sie nun von den Sharks verfolgt wurde oder nicht. Sie hatte die Ruinen durchsucht und schließlich eine rostige Eisenstange gefunden, keine besonders gute Waffe, aber besser als nichts. Der Anstieg war eine Tortur gewesen. Es war, als ginge sie nicht nur den Berg hinauf, sondern auch in der Zeit zurück, ein zweites, schreckliches Durchleben dieser letzten Meilen, die sie sich durch eine sterbende Welt gekämpft hatte. Selbst das Panzerwrack

Weitere Kostenlose Bücher