Dunkle Begierde 2
Jedes noch so kleine und
unbedeutende Detail.“
„Nun, ich
wollte schauen, was ihr im Stall macht – mir war langweilig. Also bin ich in
den Stall gegangen. Und dort habe ich dich mit Hendrik schon reden hören, ohne
euch zu sehen. Ihr schient ein lustiges Gespräch zu führen. Und dann sah ich,
dass ihr bei den Schafen wart. Das Stroh hat mir die Sicht versperrt, aber ich
konnte sehen, wie ihr ein junges Schaf gestreichelt habt. Und dann hast du dich
umgedreht und mit mir geschimpft.“
Thomas
antwortete nicht gleich.
Er musste
erst nachdenken, wie er dies zu bewerten hatte. War es wirklich harmlos? Sollte
er seine Sorgen über Bord werfen und mit ihr nach Hause gehen und froh sein,
solch eine wunderbar liebe Schwester zu haben? Oder sollte er weiter nachhaken?
Sie hatte sie bei den Schafen gesehen. Na und - was hatte das schon zu
bedeuten.
Wer weiß,
was ihre kleinen Augen noch gesehen haben, dessen sie sich vielleicht in
einigen Jahren erst erinnern würde. Ganz plötzlich, ohne Vorahnung, würde sie
es dann zur Sprache bringen.
War es
wirklich in Ordnung, dass sie ihn bei den Schafen gesehen hatte?
Welcher
normale Junge würde mit seinem Kumpel im Stall mit einem Schaf spielen? Nur
Freaks? Er war kein Freak!
Die Angst
übernahm wieder die Kontrolle über Thomas Mann. Die Vernunft kuschte in eine
stille, dunkle, einsame und sichere Ecke, sofern es die irgendwo in Thomas gab.
Was
sollte er tun? Sie noch weiter befragen?
Er wurde
zunehmend nervöser und schwitzte, schwitzte in der Kälte und Stille des Waldes.
Gab es
überhaupt noch Hoffnung für Kathrin, gab es Hoffnung für ihn?
Eine
letzte Frage sollte es klären. Eine Frage die, wenn er ehrlich war, sinnlos
war.
Es würde
kein Wunder geschehen. Von Wundern hatte er gehört, aber selbst erlebt hatte er
noch keins, daher glaubte er nicht an Wunder.
Niemand
würde ihn vor dieser Tat retten und ihm die helfende Hand reichen. Er musste
sich selbst aus dieser Situation befreien und die Konsequenzen dafür tragen.
Heute,
morgen oder im Sterbebett.
Irgendwann
würde er dafür verantwortlich gemacht werden. Soviel stand fest. Doch jetzt
musste er erst einmal ein sicheres Morgen für sich schaffen. Und dies ging nur,
wenn er absolute Gewissheit hatte. Gewissheit darüber, was sie wusste.
„Sag
Schatz. Hast du noch etwas anderes gesehen?“
„Nein,
Thomas. Ich kann mich an nichts erinnern. Ihr habt das Schäfchen gestreichelt
und dabei gelacht. Das Stroh stand ja davor, daher konnte ich nicht so viel
sehen. Ach ja, ihr hattet eure Hosen gerade wieder angezogen.“ Sie sagte diesen
einen fatalen Satz, als wäre überhaupt nichts Ungewöhnliches daran. Nichts,
worüber man sauer sein könnte. Doch dieser eine Satz ließ in Thomas die
schlimmsten aller Gedanken aufsteigen. Dieser eine Gedanke ließ endgültig die
Liebe und die Hoffnung nach einem Wunder sterben.
Sterben,
um Angst und Dämonen den Weg zu räumen.
Also
hatte sie doch etwas gesehen. Etwas, was sie nicht durfte.
War sie böse? Weil sie ihn angelogen hatte?
Hatte sie
ihn denn überhaupt angelogen?
Vielleicht
vergaß er in seinen Überlegungen, dass er es hier mit einer Fünfjährigen zu tun
hatte, die nicht wie ein Erwachsener dachte.
Wenn er
diese Überlegung unternommen hätte, hätte sich Thomas vor seinem Schicksal
retten können. Doch sagt nicht das Wort Schicksal schon aus, dass es keine
Rettung geben kann?
Thomas
wusste, dass er etwas unternehmen musste. So konnte er nicht nach Hause gehen.
Seine
Augen verwandelten sich in fiese Dämonenaugen, wie damals, als Felix ihn im Arm
hielt und ihn aus Schreck fallen ließ. An dem Tag, wo der Gürtel Felix
willkommen hieß.
„Du hast
mich angelogen, Kathrin. Das war sehr böse von dir, mein Prinzesschen",
sagte er in einem hinterhältigen Ton und hielt dabei Kathrins rechten Oberarm
fest.
„Aua, ich
habe dich nicht angelogen. Du tust mir weh, Thomas.“
„Nicht
angelogen. Du kleines Miststück. Versuchst du immer noch das liebe Mädchen zu
spielen. Ich kenne die Wahrheit. Du hast etwas gesehen.“
„Du tust
mir weh, Thomas. Was ist mit dir los? Geht’s dir nicht gut. Deine Augen sehen
so komisch aus", antwortete Kathrin und in ihrer Stimme lag immer noch
Liebe. Sie hatte keine Angst vor Thomas - noch nicht. Aber sie war beunruhigt
und schien zu ahnen, dass es noch schlimmer kommen würde. Trotz ihrer fünf Jahre.
Du
hattest nie eine Tochter, du Lügner. Es war deine Schwester!
Thomas
antwortete nicht. Er
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