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Dunkle Flut

Dunkle Flut

Titel: Dunkle Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul S. Kemp
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Heiterkeit allerdings verflogen. Vor ihm erstreckte sich ein leerer Korridor, ein langer, trüber Tunnel. Vermutlich hatte der Umbaraner die Lichter außer Betrieb gesetzt.
    Soldats Verstand klärte sich allmählich wieder. Sein Kopf pochte bei jedem Schlag seines Herzens. In seinem Bart, in seinem Haar trocknete Blut. Er stöhnte, blinzelte die Benommenheit fort und erkannte, dass seine Hände hinter dem Rücken gefesselt waren. Seine Fußknöchel waren ebenfalls mit Schiffsband gebunden. Er saß auf dem Flur, noch immer im Cockpit des Versorgungsschiffs. Die Deckenbeleuchtung war ausgeschaltet worden. Der matte Schein der Instrumente lieferte die einzige Helligkeit.
    Seine ersten Gedanken galten Anmut, ihrem Schrei, und ein Adrenalinstoß ließ ihn vollends wieder zu Sinnen kommen. Er setzte sich auf und schaute sich beunruhigt um. Seherin saß neben ihm, an die Wand gestützt, ihren Kopf zur Seite gelegt, noch immer bewusstlos. Ein übler Bluterguss, der sich bereits lila färbte, ruinierte die Symmetrie ihrer Züge. Als sie gestürzt war, als sie und Soldat beide dieses sonderbare Gefühl gehabt hatten, von der Macht fortzudriften, war sie mit dem Gesicht gegen die Instrumententafel gekracht.
    Er drehte ruckartig den Kopf und konnte Anmut nicht entdecken. Vielleicht war sie ja entkommen oder … vielleicht war ihr auch etwas anderes zugestoßen. Der Gedanke daran, dass sie Schaden nahm – sie, das einzige überlebende Kind der Gemeinschaft –, ließ eine Woge der Wut in ihm emporsteigen. Und im selben Maße, wie sein Zorn wuchs, tat es auch seine Kraft. Er stieß die Kraft in seinen Körper, nutzte sie dazu, seine Stärke zu steigern, und testete die Fesseln um seine Handgelenke.
    Die Fesseln bissen in sein Fleisch wie Zähne. Ohne auf den Schmerz zu achten, versuchte er, sie mit Muskelkraft auseinanderzureißen, aber es gelang ihm nicht. Er konnte sich nicht vollends der Macht öffnen: Irgendetwas störte die Verbindung.
    Im vorderen Bereich des Cockpits sagte eine zischende Stimme: »Es wird dir nicht gelingen, deine Fesseln zu sprengen. Es besteht kein Anlass, sich zu wehren. Ich habe nicht die Absicht, dir Schaden zuzufügen.«
    »Dasselbe kann ich von mir nicht behaupten«, sagte Soldat. Wieder versuchte er erfolglos, die Fesseln abzuschütteln. »Was hast du mit mir angestellt? Mit uns?«
    »Fühlst du dich von der Macht abgeschnitten?«, fragte der Umbaraner.
    »Wie machst du das?«, war alles, was Soldat fragte.
    Der Umbaraner lachte in sich hinein. »Indem ich ein bisschen von meiner Welt in eure trage.«
    Soldat verstand nicht recht. Er konnte sich vorstellen, dass er das auch niemals tun würde. Er konnte von dem Umbaraner bloß die Umrisse sehen, wie er dastand und Soldat und Seherin den Rücken zuwandte, während er etwas auf der Instrumententafel des Schiffs studierte.
    »Wer bist du?«, fragte Soldat. »Was willst du?«
    »Ich will dich«, sagte der Umbaraner. »Du bist für den Meister von Interesse.«
    Du bist von Interesse. Solche Phrasen hatte Soldat häufig von den Ärzten in der Klonanlage gehört, und sie kündigten stets etwas Unangenehmes an.
    »Warum?«, fragte er. »Ich bin niemand.«
    »Das stimmt nicht im Geringsten«, erwiderte der Umbaraner.
    »Dann nimm mich. Lass Seherin und Anmut gehen.«
    »Ich fürchte, das kann ich nicht tun. Jetzt sei still«, sagte der Umbaraner. »Ich muss jemanden kontaktieren.«
    Die Schrottkiste verließ den Hyperraum in den Randbereichen des Systems. Das Licht eines fernen roten Zwergs tauchte das Cockpit in Purpur. Marr machte sich an den Scannern zu schaffen. »Das System besitzt zwei Gasriesen und einen dichten Asteroidengürtel, sonst nichts.«
    »Wo ist das Versorgungsschiff?«
    »Bin dran«, sagte Marr und startete einen umfassenden Sensorscan. »Ich hab’s. Es befindet sich auf der anderen Seite des Asteroidengürtels. Unser Schiffsprofil ist so klein, dass ich bezweifle, dass sie uns so weit draußen geortet haben.«
    »Ganz deiner Meinung«, sagte Jaden. Er aktivierte die Ionentriebwerke und schoss auf den Asteroidengürtel zu. Um der Entdeckung zu entgehen, hielt er die Schrottkiste auf derselben Ebene, auf der der Großteil der Asteroiden trieb, bemüht, sie als Deckung zu nutzen. Sein Verstand raste genauso wie die Schrottkiste . Er musste sich irgendeine Möglichkeit einfallen lassen, um an Bord des Versorgungsschiffs zu gelangen.
    Bevor sie den Asteroidengürtel erreichten, piepte der Schiff-zu-Schiff-Kommunikator. Jaden und Marr

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