Dunkle Gefährtin
Samantha fragte sich, ob er »und dich« ergänzt hätte, säße er nicht zufällig in ihrer Küche.
»Na, dann habe ich ja Glück, dass du meine Hilfe brauchst«, stellte sie fest, »und dass ich in dem Kleid gut aussah.«
Wieder musterte er sie, obwohl sie inzwischen ein ziemlich unförmiges T-Shirt und eine weite Jeans trug. »Ja, das hast du.«
Ihr wurde heiß. Sie war bescheuert, auch nur an Sex mit ihm zu denken; andererseits war sie auf der sicheren Seite, solange sie es bei der Phantasie beließ. Und wer würde nicht gern von einem umwerfenden Mann mit tiefblauen Augen und Haaren phantasieren, in die sie am liebsten ihre Finger eintauchen wollte? Von einem Mann, der ihr die unglaublichsten Empfindungen beschert hatte, als er sie heilte, so dass sie am liebsten gleich im Club über ihn hergefallen wäre?
»Also, wieso interessierst du dich für diese Prostituierten?«, fragte sie hastig. »Normalerweise ködern sie Clubgäste für Bosse wie Merrick, auch wenn einige auf eigene Rechnung arbeiten. Solange kein richtiger Sex im Spiel ist und die Leute ihnen bloß Geld für das ›Dämonenerlebnis‹ bezahlen, ist es legal.«
»Vier Mädchen sind innerhalb der letzten zwei Wochen verschwunden«, sagte Tain.
»So viele? Ich habe von keinen Vermisstenfällen gehört, was allerdings nichts bedeuten muss. L.A. ist eine große Stadt, und die Westabteilung ist für alles zuständig, was in Venice passiert. Ich werde erst eingeschaltet, wenn es tatsächlich zu einem Verbrechen durch oder gegen Paranormale gekommen ist.«
»Ich glaube nicht, dass sie vermisst gemeldet wurden. Falls die jungen Frauen selbständig gearbeitet haben, gibt es keine Bosse, die ihr Verschwinden bemerkt haben.«
»Stimmt, aber vielleicht sind die Fälle nicht so mysteriös, wie sie aussehen. Sie können zum Beispiel in einen anderen Stadtteil abgewandert sein, oder eine oder zwei von ihnen haben sich vorübergehend aus dem Geschäft zurückgezogen, weil sie krank oder schwanger sind. Das kommt vor.«
»Mag sein, doch ich habe das Gefühl, dass da etwas nicht stimmt. Mehr kann ich im Moment auch nicht sagen.«
Samantha lehnte sich seufzend zurück. »Bei jedem anderen würde ich sagen, du sorgst dich unnötig, aber weil du ein großer böser Unsterblicher bist, verkneife ich mir das. Schließlich habe ich auf die harte Tour gelernt, was passiert, wenn ich nicht auf die ›Gefühle‹ eines Unsterblichen höre. Und es schadet ja nicht, wenn ich mich einmal ein bisschen umhorche.«
»Danke.«
Seine Lippen bewegten sich kaum. Wie lange hatte Tain mit sich gerungen, bevor er entschied, sie ausfindig zu machen und um
Hilfe zu bitten?
»Warum kommst du zu mir?«, fragte sie. »Wieso gehst du nicht einfach selbst zur Polizei? Es gibt ein paar Dutzend Detectives in der paranormalen Abteilung, bei denen du die Fälle melden kannst.« Und Samantha war nicht nur ein Halbdämon, sondern sie hatte ihn auch gesehen, als er völlig wahnsinnig war, und sie gehörte zu denen, die ihn gerettet hatten. Das ergab also gleich drei gute Gründe, sie nie wiedersehen zu wollen.
Nun bedachte er sie mit einem Blick, der ihr durch Mark und Bein ging. »Weil ich wusste, dass du mir glaubst.«
Verdammt, waren das Augen! Wie zwei Stücke vom Himmel, so blau, dass man für immer nur hineinsehen wollte. Sie konnte sich vorstellen, wie sie aus nächster Nähe aussahen, wenn sie den Kopf neigte, um ihn zu küssen …
Diesen Gedanken musste sie natürlich gleich wieder verdrängen. »Hast du vor dem Präsidium auf mich gewartet und bist mir nach Hause gefolgt? Du hättest ruhig hereinkommen und nach mir fragen können.«
»Ich bin dir nicht nachgegangen.«
Die Antwort beruhigte sie ein wenig, denn sie hatte nichts von dem vielsagenden Kribbeln gespürt, das sich sonst zuverlässig einstellte, wenn sich jemand an ihre Fersen heftete. Andererseits könnte Tain ihr wahrscheinlich so lautlos wie ein Panther nachstellen. »Wie hast du mich dann gefunden? Magie?«
Tatsächlich lachte er leise, während er den Becher an seine Lippen hob. »Ich rief Leda an, und sie hat mir deine Adresse verraten.«
[home]
Kapitel 3
T ain lehnte sich an die Wand seiner winzigen Dusche und ließ das Wasser auf seinen Körper einprasseln.
Er hatte nicht zu Samantha gehen wollen. Eigentlich wollte er sie überhaupt nie wiedersehen, nie wieder in diese dunklen ernsten Augen sehen und in das wunderschöne Gesicht, das all seine Träume beherrschte.
Nachdem ich dir in Seattle deinen
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