Dunkle Gefährtin
Hintern gerettet habe
, hatte sie gesagt, und am liebsten hätte er lauthals losgelacht.
Niemals würde sie erfahren, wie recht sie hatte. Ihre Stimme, ihre Worte, ihre
Präsenz
waren es gewesen, die ihn retteten, ihn aus der Finsternis holten, in der er Jahrhunderte gelebt hatte. Ihr war es gelungen, seine Aufmerksamkeit von dem Dämon, der ihn gefangen hielt, abzulenken, so dass seine Brüder sich verbünden konnten, um ihn zu befreien.
Am Ende hatten alle damit gerechnet, dass er Samantha nahm und mit ihr auf und davon lief.
Dabei konnte er sie kaum berühren. Als er ihren Arm heilte, den sie sich in der Schlacht gebrochen hatte, war ihre Verbindung äußerst stark gewesen. Sie hatte sich ihm auf eine Weise geöffnet, wie er es seit Äonen nicht mehr erlebt hatte, und ihre Lebensessenzen wurden eins, während seine Magie ihre Knochen wieder zusammenfügte.
Überdeutlich hatte er die Freude in ihr gespürt und war versucht gewesen, sie gleich dort, auf der Stelle zu lieben. Es war wie ein unbezähmbarer Drang gewesen. Deshalb konnte er gar nicht schnell genug von ihr wegkommen.
Mehr als ein Jahr war seit jenem Tag Ende Mai vergangen, an dem er endlich seine Freiheit zurückgewann. Er hatte geglaubt, die Erinnerungen an die Schlacht und Samantha würden verblassen, doch über fünfzehn Monate später waren sie so frisch wie eh und je.
Das Wasser wurde allmählich kühl, weil der Boilervorrat aufgebraucht war, doch Tain blieb unter der Dusche. Wie feine Nadelstiche sprühten die kalten Wasserstrahlen auf seine Haut. Samantha war zur Hälfte Dämonin. Nie wieder, hatte er sich geschworen, nie wieder würde er einem Sirenenruf dieser Art folgen! Er hatte seine Gefangenschaft überlebt, indem er sich in den Wahn zurückzog, sich an den Schmerz klammerte und ihn zu etwas verdrehte, das er ertragen konnte.
Nie wieder!
Schließlich drehte er das Wasser ab und lehnte seine Stirn an die Wand, sein nackter Leib bedeckt von durchsichtigen Wasserperlen. Wie sehr sehnte er sich danach, ihren Körper zu fühlen, den Mund auf ihre Haut zu pressen, ihre Kurven zu ertasten und zu spüren, wie die Knospen ihrer Brüste sich unter seinen Händen aufrichteten!
Für einen Moment gab er sich dem Vergnügen dieser Gedanken hin, doch es dauerte nicht lange, bis die üblichen schwarzen Bilder des Wahnsinns und Schmerzes auftauchten und alles andere überdeckten. Mit Hilfe seiner Brüder hatte er es innerhalb des letzten Jahres geschafft, mit den schrecklichen Erfahrungen halbwegs leben zu lernen. Inzwischen gab es sogar Nächte, in denen ihn keine Alpträume heimsuchten, oder Momente, in denen er ruhig bleiben konnte, wenn die Finsternis an seinem Innersten nagte, wie heute Abend, als er gegen die Dämonen kämpfte. In solchen Augenblicken bemühte er sich, tief durchzuatmen, bis sie vorbei waren.
Aber es hatte auch andere gegeben, von denen er seinen Brüdern nichts erzählte. In denen hatte er sich zusammengerollt und unter Schmerzen geschrien, die ihn zu zerreißen drohten. Nun rutschte er auf den Boden der Duschwanne, schlang die Arme um seinen Oberkörper und fühlte die Kälte gar nicht, die ihm über die nasse Haut kroch. Stattdessen beobachtete er gebannt, wie das restliche Wasser in einem kleinen Strudel in den Abfluss lief.
Du bist mein
!, hatte Kehksut ihm wieder und wieder gesagt.
Du gehörst mir, mit Leib und Seele! Ich benutze dich, wie es mir gefällt, und du wirst mich dafür lieben!
Tains Wange schmerzte. Das Pentagramm, das ihm eintätowiert worden war, als er erwachsen wurde, brannte wie Feuer. Einzig das Zeichen hatte ihn davor bewahrt, für immer verloren zu sein. Es war ein winziger Teil von ihm, den Kehksut nicht hatte erreichen können.
Und genau diesen Teil hatte Samantha mit ihrer Stimme und ihrem Trotz berührt. Danach hatten seine Brüder den Rest von ihm aufgerissen und ihn zappelnd und schreiend ans Licht gezerrt.
Sosehr er seine Freiheit auch genoss, brachte sie doch reichlich Schmerz und Schuld mit sich. Seine Brüder, verflucht seien die vier, liebten ihn nach wie vor und passten auf ihn auf. Sie wollten, dass es ihm gutging, und es tat ihm richtig leid, dass er immer noch nicht wieder »normal« war.
Etwa eine Stunde später begann die Dunkelheit sich zurückzuziehen, und Tain stand mühsam auf. Nach solchen Schüben war er stets verwundert, kein Blut an seinem Körper zu entdecken, keine Schnitte in seiner vernarbten Haut. Zitternd griff er nach einem Handtuch und wischte sich das Wasser vom
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