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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie
Autoren: Aner Shalev
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    Ich muss los. Ich muss diesen Vortrag hören. Es ist der wichtigste Vortrag der Tagung und er hat etwas mit meiner Doktorarbeit zu tun.
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    Quäl dich nicht. Es stimmt, dass unser Gespräch hart war. Vielleicht war ich am Telefon etwas zu direkt. Aber Adam, versuche, dich in meine Lage zu versetzen. Ich muss jeden Tag so viele Gefühle unterdrücken, um nicht zu leiden. Vielleicht ist es diese tagtägliche Selbstbeherrschung, die dazu führt, dass ich mich manchmal seltsam benehme.
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    Sei nicht gekränkt, Adam. Du hast keinen Grund. Wie kann ich dich überzeugen, dass ich dich sogar noch mehr liebe, nachdem ich mit Gabi im Bett war, nachdem ich mit Gabi die ganze Nacht Liebe gemacht habe?
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    Sonntag, 21. November, 16:10
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    Der schlimmste Schmerz war die Verzweiflung, nachdem ich es heute Nacht wieder mit ihm gemacht habe, nachdem ich zu dir gesagt hatte, es sei vorbei (und glaube mir, das war nicht meine Absicht, als wir am Telefon sprachen. Es ist schrecklich, dass du so denken kannst, ich hatte wirklich beschlossen,nicht noch einmal mit ihm zu schlafen. Ihn zu berühren – vielleicht, aber nicht mit ihm zu schlafen), sodass der größte Schmerz die Verzweiflung darüber war, dass ich nicht in der Lage sein würde, dir davon zu erzählen, von diesem zweiten Mal, nach all den Mails und Telefonanrufen zwischen uns und nach deiner Bitte und meinem Versprechen, dass ich es dann doch noch einmal gemacht habe und es dir nicht mehr erzählen kann, und so werde ich meine Ehrlichkeit dir gegenüber verlieren, und so werde ich auch dich verlieren.
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    Hätte ich dich angelogen, hätte ich mich selbst nicht mehr achten können, wenn ich mit dir zusammen bin, und das wäre das Ende, so dachte ich. Aber ich konnte mich auch nicht entscheiden, nicht zu lügen, denn ich wollte nicht, dass du leidest. Und die unendlichen Diskussionen mit Gabi im Bett, ob man lügen soll oder nicht, und seine Entscheidung, zu lügen (er ist verheiratet, wie du weißt), und seine Argumente, warum es besser ist und wie human es ist, die Lüge zu wählen. Der Gipfel der Humanität.
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    Und ich begann zu denken, was, bin ich klüger als er? Nein, er ist bestimmt klüger als ich, weil er so ein brillanter Forscher ist. Vielleicht hat er doch recht, vielleicht muss ich auch lügen, um human zu sein. Vielleicht bin ich ein unmenschliches Ungeheuer und quäle alle mit meiner Sturheit, um jeden Preis die Wahrheit zu sagen. Ich bin sowieso allein auf der Welt, abgeschnitten, lebe in einem parallelen, virtuellen Universum. Da spielt es doch keine Rolle, was ich sage, was ich jetzt hier in den Computer tippe. Gibt es überhaupt jemanden auf der anderen Seite? Gibt es überhaupt jemanden, der meine Mails bekommt?
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    Ich spürte, wie diese schrecklichen und widersprüchlichen Gedanken auf mich tropften, langsam, wie bei einer chinesischen Folter, und beschloss einfach, mir keine Gedanken mehr über dich zu machen, dich auszuradieren. Deine Mails zu löschen. Deinen silbrigen Honda Civic auszumerzen, der mich beim Anstieg von Beth Zafafa nach Gilo verletzte. Und die seltsame Euphorie, die mich seither einhüllt. In die wirkliche Welt zurückzukommen.
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    Aber es klappte nicht. Ich konnte dich nicht auslöschen. Obwohl es für mich vielleicht das Richtige wäre, ich habe es ganz einfach nicht geschafft. Du musst schlafen. Es macht mir Sorgen, dass du heute Nacht nicht geschlafen hast. Ich habe Angst, dass dir wegen dieses Schlafmangels etwas passiert. Wie schnell passiert ein Autounfall, oder man wird überfahren, wenn man nur die Straße überquert. Weil man nicht aufmerksam genug ist. Versuche zu schlafen, Adam. Du wirst es schaffen, ich konzentriere mich auf dich und versuche, dich mit meinen Gedanken zum Schlafen zu bringen.
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    Sonntag, 21. November, 16:24
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    Adam,
    zensiere dich nicht selbst. Schick mir die lange Mail, die du geschrieben und nicht abgeschickt hast, mit all den Gedanken, die dich in der Nacht quälten, als du nicht einschlafen konntest. Wenn du diese Mail nur im Ordner Entwürfe speicherst, wird sie dich und mich immer quälen und uns keine Ruhe geben.
    Â 
    Was deine Fragen betrifft, sie lassen sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten.
    Â 
    >Warst du nur verzweifelt wegen deiner Angst, dass du es
    >mir nicht erzählen kannst, oder lag es auch an der
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