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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie
Autoren: Aner Shalev
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ich, das liege daran, weil ich nicht anziehend oder nicht mutig genug bin. Und manchmal halfen auch keine zehn Versuche, mir das Gegenteil zu beweisen. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass ich seit meiner Kindheit das unendliche Bedürfnis nach immer mehr Beweisen habe. Es verletzt mich, wenn du mein Benehmen von außen beurteilst, du verurteilst es, du ordnest es ein, statt es von innen zu betrachten und zu verstehen, woher es kommt. Dein Urteil tut mir manchmal sehr weh.
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    Donnerstag, 18. November, 08:58
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    Noch ein paar Zeilen, eine kurze Zeit später. Ich kann dich nach dieser Mail nicht so zurücklassen. Nein, ich ging nicht mit Gabi auf sein Zimmer. Es ist jetzt schon die zweite Nacht, dass ich deinem Wunsch entgegenkomme. Übe aber bittekeinen Druck aus. Gib mir ein bisschen Kredit. Und du musst dich auch nicht wiederholen. Ich lese jede deiner Mails hundertmal.
    Â 
    Also kehren wir zurück zu der Geschichte, Gabi und ich tauschten die Nummern unserer Hotelzimmer aus, er gab mir einen Gutenachtkuss (vielleicht wollte er mich auf den Mund küssen, aber ich hielt ihm die Wange hin) und erwähnte den Beaujolais aus Latrun nicht mehr.
    Â 
    Wer weiß, vielleicht hat er ihn schon allein ausgetrunken.
    Â 
    Wie lange werden diese Auseinandersetzungen noch dauern? Spürst du nicht, was ich dir gegenüber empfinde? Bei anderen Liebhabern habe ich immer Teile von mir versteckt. Vor dir verstecke ich nichts. Einmal möchte ich ganz offen sein und sehen, wohin es führt.
    Eva
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    Donnerstag, 18. November, 18:08
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    O Gott, was für einen beschissenen Vortrag habe ich heute gehalten. Man kann nicht behaupten, ich hätte das Publikum mit der Theorie des inflationären Universums überzeugt. Nach dieser Theorie dehnte sich das Universum sofort nach dem Urknall viel schneller aus als die Lichtgeschwindigkeit. Sodass die Teilchen, die davor räumlich sehr eng beieinander und kausal miteinander verbunden waren, sich im Bruchteil einer Sekunde so weit voneinander entfernten, dass es keine Möglichkeit der Kommunikation oder eines Kausalzusammenhangs mehr gab. Selbst ein Lichtstrahl konnte einen anderen Lichtstrahl nicht erreichen. Sodass es sich um getrennteUniversen handelt, die vollkommen voneinander abgekoppelt sind. Nach dieser Theorie gab es bei der Schöpfung ein Universum, aber einen Sekundenbruchteil später, wegen der inflationären Expansion, teilte sich das Universum in viele verschiedene Universen, die parallel existieren, ohne jede Verbindung miteinander. Eine Verbindung kann nicht entstehen.
    Â 
    Das erinnert mich an die Geschichte von dem Turm zu Babel.
    Â 
    Mitten in meinen Erläuterungen ging der Overheadprojektor plötzlich aus. Die Glühbirne war durchgebrannt. Ich freute mich, dass er ausgegangen war, so hatte ich eine Ausrede, meinen armseligen Vortrag schnell zu beenden. Irgendjemand bestand darauf, den Overheadprojektor zu reparieren. Ich wollte ihm sagen, er solle sich nicht die Mühe machen. Aber zu meinem Glück gab es keine Reserveglühbirne, sodass ich den Vortrag nicht fortsetzen musste.
    Â 
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich verließ den Vortragssaal und fing an zu weinen. Gabi kam mir nach, schleppte mich zu einer Bar und lud mich zu einem Bier ein. Wir saßen an die Glaswand gelehnt, tranken Heineken und schauten hinaus auf das Tote Meer. Er sagte, ich solle wegen eines Overheadprojektors nicht weinen. Ich sagte, ich weine nicht wegen des Overheadprojektors.
    Â 
    Ich erzählte ihm, dass ich in einer Woche nach New York fliege und dass ich vielleicht deshalb weine. Er schwieg. Er fragte nichts. Danach sagte er, dass er mir eine Unterkunft an der Columbia University besorgen könnte. Danke, sagte ich, für dieses Mal bin ich schon untergebracht (aber nächstes Jahr,wenn er mich wirklich zu einer Fortbildung nach New York schickt, werden wir ihm beide danken müssen). Und ich fragte mich, warum ich in jener Nacht nicht mit ihm auf sein Zimmer gegangen war, ob es dein Wunsch war, der mich daran gehindert hatte.
    Â 
    Nein, Adam. Es hängt nicht mit dem zusammen, um was du mich gebeten hast. Vielleicht wäre es besser, es dir nicht zu sagen, aber wenn ich mir vorstelle, in einem fremden Bett zu liegen, wird mir so übel, dass ich mich übergeben könnte. Siehst du, auch ohne deinen Wunsch würde ich nicht mit Gabi ins Bett gehen. Vielleicht sollte ich mit dir nicht
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