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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie
Autoren: Aner Shalev
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weh? Und sie sagte, noch nicht, und er fragte, wie viel Zeit haben wir noch? Und sie sagte, ich bin nicht sicher, man sagt, dass es bei jeder Frau anders ist, es beginnt mit Bauchschmerzen wie vor der Periode, danach fangen die Blutungen und die Krämpfe an, aber man kann es nicht verallgemeinern, jede Frau reagiert anders, bei manchen geht es sehr leicht, bei anderen ist es schwieriger, und manchmal kommt es auch zu Komplikationen, und Adam fragte misstrauisch, was für Komplikationen? Als wäre es ein Komplott, das sie gegen ihn schmiedete, und als wäre die zweite Pille, die man nach vierundzwanzig Stunden nahm, dazu da, die Komplikationen zu verursachen.
    Er musste sich jetzt durchsetzen, dachte er, er musste ihr sagen, dass es Grenzen gab, ihr klarmachen, dass er das nichtdulden würde, er würde keine Komplikationen dulden, und sie sagte, Adam, hör auf mit der Schwarzmalerei, lass uns jetzt nicht an die Zukunft denken, du hast doch selbst gesagt, man könne die Zukunft nicht vorhersehen, und er sagte, aber wie kannst du zum Abendessen ausgehen, wenn du weißt, dass es in wenigen Stunden losgeht? Und sie sagte, auch ich muss irgendwann einmal sterben, das weiß ich, aber das heißt doch nicht, dass ich die ganze Zeit darüber nachdenken muss, und außerdem war das nicht meine Idee, das Abendessen, es war deine Idee, und ich habe es für eine schöne Idee gehalten.
    Sie erreichten die 6. Straße abends um sechs, als es anfing zu dämmern, und betraten ein Restaurant, das so aussah wie viele andere, ein vollkommen leeres Restaurant, dekoriert mit billigen Matten und Wandteppichen, und sofort fiel eine Schar Kellner über sie her. Sie bestellten eine Flasche Rotwein und als Vorspeise Papadam und Onion Badji, zum Hauptgericht Lamm in Vindaloo-Soße mit Reis, aber dann kamen alle Gerichte gleichzeitig, als hätte jemand geahnt, was sie bestellen würden, und im Voraus alles angerichtet, und er sah zu, wie Eva für ihn das Essen auf seinen Teller legte, mit einer außerordentlichen Höflichkeit und Zärtlichkeit, bevor sie sich selbst etwas nahm.
    Er beobachtete die königlichen Handbewegungen, mit denen sie das Papadam auf seinen Teller legte, als handle es sich um einen noblen Tanz, und er dachte, dass vielleicht zwei Personen in ihr wohnten, eine edle, feinfühlige und großzügige, und eine zweite, die fordernd und impulsiv war, und er bedankte sich bei ihr, und sie sagte, fang ruhig an, Adam, Adam, warte nicht auf mich, und er sagte, ich warte auf dich, ich esse erst, wenn du auch isst, und sie nahm sich auch etwas und fing an zu essen, noch immer so edel wie ein Schwan, und er biss in das runde und mürbe Papadam, das ihn an eine runde Matze vom Pessachfest erinnerte, er trank vom Rotwein und fragte, sag mal, Eva, warst du mal bei einem Sederabend? Und Eva sagte, probiere mal das Lamm,es schmeckt ganz besonders gut, und er aß ein Stück Lamm in Vindaloo-Soße und sagte, das Vindaloo ist furchtbar scharf, noch schärfer als Meerrettich, und sie sagte, ja, so soll es sein, und er sagte, ja, aber ich wusste nicht, dass es so scharf ist, ich habe es heute zum ersten Mal bestellt.
    Adam, du schwitzt, sagte sie, und er wischte sich die Stirn ab und sagte, das liegt an der scharfen Vindaloo-Soße, ich glaube nicht, dass ich mir das noch einmal bestellen werde, es verbrennt mir den Mund, es ist das letzte Mal, dass ich das bestelle, und sie sagte, trink Wein, vielleicht hilft es, aber die Mischung aus Lamm und Vindaloo-Soße und Rotwein verstärkte die Wirkung und er sagte, ich muss Wasser trinken, er winkte nach einem Kellner, aber plötzlich schien es keine Kellner mehr zu geben, als hätten sie mit dem Servieren des Essens ihre Aufgabe erfüllt, als wären sie nach Hause gegangen, und er schrie, diese Kellner, wenn man sie nicht braucht, tänzeln sie in Scharen um einen herum, und wenn man sie braucht, sind sie verschwunden.
    Und sie sagte, iss ein bisschen Papadam, das hilft, und er aß Papadam, das plötzlich genauso scharf war, nicht zu vergleichen mit einer Matze, dann nahm er wieder einen Bissen vom Lamm in Vindaloo-Soße und merkte, wie sein Gaumen und seine Zunge verbrannten, alles brannte, und es gab keinen Kellner in der Nähe, nur eine Reihe von verwaisten Tischen, als wäre das Restaurant allein für sie bestimmt, und vielleicht war das gar kein Restaurant, sondern ein Folterkeller, in den sie geraten waren,
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