Dunkle Materie
als Strafe für etwas, was sie getan hatten.
Er rief laut, Kellner! Und endlich kam jemand und er schrie, Wasser! Und der Kellner sagte, sofort, Sir, und Eva sagte, Adam, hör auf zu schreien, versuch höflich zu sein, das ist nicht das Ende der Welt, und er sagte, wie kann man leise sein, wenn der Mund so brennt? Sie hätten uns von vornherein Wasser bringen müssen, wir sind hier in Amerika, oder etwa nicht? Wir sind nicht in der Wüste, in Amerika ist Wasser nicht etwas, das man extra bestellenmuss, in jedem normalen Restaurant serviert man es unaufgefordert, und warum gibt es hier kein Brot, dieses Papadam gibt mir den Rest, in jedem normalen Restaurant gibt es Brot, warum haben wir heute unbedingt indisch essen müssen? Eva sagte, das war deine Wahl, dieses Restaurant, auch das Papadam und das Lamm, niemand hat dich dazu gezwungen, und er sagte, dann habe ich einen Fehler gemacht, und sie sagte, ich wäre froh, wenn du nicht so schreien würdest, und wenn du mit dem Kellner etwas höflicher reden würdest, nicht so, als wäre er bei einer Prüfung durchgefallen, als müsste man ihn im Alter von vierundvierzig Jahren noch erziehen, und er sagte, siehst du, er bringt das Wasser immer noch nicht, ist er etwa zum Brunnen gegangen? Wie lange dauert das? Sie schwieg und betrachtete die roten Wandteppiche, und der Kellner brachte einen versilberten Wasserkrug und zwei Gläser, und Adam sagte, vielen Dank, und füllte erst Evas Glas, als wolle er etwas wieder gut machen, aber Eva rührte ihr Glas nicht an, sie schaute nur grimmig zu, wie er sein Glas schnell leer trank und sich noch einmal einschenkte, und sie sagte, du hast recht, Adam, es war ein Fehler, und er fragte, was, was war ein Fehler, und sie sagte, es war schon von Anfang an ein Fehler.
Er sagte, was redest du da, und sie sagte, Adam, das war ein Unfall, du hast mich fast getötet, aus einem Unfall kann nichts Gutes kommen, und er sagte, lass uns hier weggehen, dieses Restaurant gefällt mir nicht, als würde das, was sie sagte, sich verflüchtigen, wenn sie das Restaurant erst hinter sich gelassen hätten.
Er bezahlte und stand auf, half ihr in den Mantel, er umarmte sie und sagte, das ist das letzte Mal, dass wir in diesem Restaurant essen, wir haben etwas Besseres verdient, komm, gehen wir zum Café Dante und essen einen Nachtisch, ich habe Lust auf etwas SüÃes. Und sie gingen zur Second Avenue, Arm in Arm, plötzlich ganz entspannt, als nütze der Ortswechsel wirklich, es war kurz nach sieben, der Himmel verdunkelte sich, und sie überquertendie Houston Street, als Eva plötzlich sagte, Adam, entschuldige, vielleicht verzichten wir auf den Nachtisch? Ich glaube, ich schaffe es nicht bis zum Café Dante, und er fragte, was ist los? Und sie sagte, es fängt an, ich glaube, es geht los.
Ãberrascht schaute er sie an, als wäre die beginnende Abtreibung nur ein Aprilscherz, als hätte er, auch wenn er sie erwartet und sogar versucht hatte, den Verlauf auszurechnen, nicht daran geglaubt, dass sie wirklich geschehen würde, als habe er irgendwie gehofft, dass die Pille, die sie so dramatisch vor seinen Augen geschluckt hatte, nichts anderes gewesen sei als eine Kopfschmerztablette, aber nun, da die Schmerzen begannen, war ihm klar, wie die nächsten Stufen ablaufen würden, die Blutungen und die Krämpfe, die gewaltsame Geburt eines Kindes, das es nicht geben würde, sie würden nicht einmal wissen, welches Geschlecht es hatte. Und er dachte, auch wenn er immer darauf bestand, dass man die Zukunft nicht voraussehen könne, und das auch sagte, jetzt könne man es doch wissen, jetzt war die Zukunft ganz klar, jetzt konnte man nichts mehr daran ändern, sie würden das gemeinsame Baby verlieren, wie genau das geschah und wie lange es dauerte, war nicht mehr wichtig, aber es war klar, dass sie New York nicht mehr sehen würden, sie würden im Café Dante keine Cannoli essen, und wer weiÃ, ob sie diese Woche noch einmal einen Kaffee trinken oder zum Abendessen gehen könnten, und er stöhnte und sagte, okay, wir verzichten auf das Café Dante, obwohl sie schon auf halbem Weg zur Macdougal Street waren, und sie sagte, danke, und er fragte, soll ich ein Taxi anhalten? Und sie sagte, danke, und er ging zum StraÃenrand und versuchte ein Taxi anzuhalten, aber es gelang ihm nicht, und sie sagte, lass mich das machen, bei mir werden sie halten.
Fünf Minuten
Weitere Kostenlose Bücher