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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aner Shalev
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Tag? Selbst wenn sie eine große Limousine zur Verfügung hätten, wie bei einer Hochzeit, und einen privaten Fremdenführer, wäre das, was sie schaffen könnten, nichts im Vergleich zu dem, was sie in einer Woche hätten sehen können.
    Und plötzlich betrachtete er diese Pille und die Schmerzen, die bald kommen würden, als eine Manipulation, als einen Trick, um New York nicht besichtigen zu müssen, als das Verhalten eines Mädchens, das sich mit einer Ausrede vor dem jährlichen Schulausflug drückt, und er dachte, es sei seine Pflicht, die Pflicht eines verantwortungsbewussten Erwachsenen, darauf zu bestehen und ihr nicht zu erlauben, sich zu drücken, darauf zu bestehen, dass alles geschafft werden musste, was noch zu schaffen war, damit sie zu ihrer Mutter, die ihm erst gestern einen Gruß ausrichten ließ und die nach dieser Woche fragen würde, was hast du in New York gesehen, nicht sagen musste, ich habe nur die Twin Towers gesehen.
    Er sagte, Eva, lass uns ausgehen, lass uns etwas unternehmen, ich habe genug davon, die ganze Zeit hier in diesem stickigen Zimmer zu hocken, und zu seiner Überraschung musste er nicht lange darauf beharren, sie leistete keinen Widerstand und gab ihm sogar einen Kuss auf die Wange, sie schloss sich im Badezimmer ein und kam erst eine halbe Stunde später wieder heraus, geduscht, angezogen, sogar geschminkt, und nach wenigen Minutenwaren sie schon auf der belebten Straße, Arm in Arm, sie liebte es, sich bei ihm einzuhängen, eine Gewohnheit die ihm etwas altmodisch vorkam, ein weiterer Beweis dafür, dass sie nicht hier und jetzt lebte, denn mit Ruth war er nie so gegangen, eigentlich auch mit keiner anderen Frau, noch nicht einmal mit Tanja.
    Und er dachte, dass es klug von ihm gewesen sei, Eva nicht von dem erneuten Kontakt zu Tanja zu erzählen, eine Verbindung, die nie ganz abgebrochen war, sie war nur geheimer geworden, seit er Tanja gebeten hatte, niemandem davon zu erzählen, besonders nicht Sascha, der es seinerseits Eva hätte erzählen können, das hätte ihm gerade noch gefehlt, wenn Eva davon erfahren hätte, dass Tanja jetzt im Herald Square Hotel auf ihn wartete, Eva hatte auch ohne Tanja schon genug Probleme, und man musste kein Öl ins Feuer gießen.
    Ihm fiel ein, wie Eva ihn an Tanja erinnert hatte, damals, als er sie kennenlernte und sie in seinem Auto miteinander zu reden begannen, und sogar vorher, als sie am Straßenrand gejoggt war, und er dachte, vielleicht ist es immer so, wir interessieren uns für eine Frau nur dann, wenn sie uns an eine andere Frau erinnert, eine frühere Geliebte oder eine Schwester oder die Mutter, wir suchen immer nur Ersatz, und plötzlich sehnte er sich nach Tanja, nach der Ruhe in ihren Armen, nach dem Gefühl von Stabilität und grenzenloser Akzeptanz, die er mit Eva nie hatte und nie haben würde, Eva, die ihn immer auf die Probe stellte, ihn die ganze Zeit kontrollierte, beobachtete und beurteilte, er war nach zwei Tagen mit ihr schon vollkommen erschöpft, und er dachte an die Mail, die er vor ein paar Stunden von Tanja bekommen hatte, als wäre sie ein Rettungsring, den man ihm plötzlich zugeworfen hatte, er dachte an die Nacht mit ihr im Herald Square Hotel, die noch stattfinden würde oder auch nicht, das war noch nicht klar, und wie sie es immer pausenlos trieben, nie waren sie satt geworden und nie verließen sie das Hotel, sodass es nicht dieMöglichkeit gegeben hatte, Arm in Arm über den Broadway zu gehen, denn sie waren immer ineinander verschlungen, vom Anfang ihres Treffens bis zum Ende, und er fragte sich, ob er das auch von Eva erwartet hatte, schließlich schien sie ihm anfangs Tanja so ähnlich zu sein, und irgendwie hatte er wohl gehofft, dass das Zusammensein mit ihr ähnlich ablaufen würde, dass sie das Bett nicht verlassen würden, dass er die ganze Zeit in ihr sein würde.
    Vielleicht hatte er aus diesem Grund dasselbe Hotel gewählt, in dem er auch Tanja immer traf, vielleicht war es aber auch nur aus Bequemlichkeit oder Faulheit so, denn er wusste bereits, dass man in diesem Hotel die Privatsphäre respektierte und dass man keine überflüssigen Fragen stellte, und die Tatsache, dass das Zimmer 512 frei gewesen war, war nur Zufall gewesen, er hätte nicht darauf bestanden, das Zimmer zu bekommen, in dem er sonst mit Tanja schlief, wenn man gesagt hätte, dieses Zimmer sei belegt, aber

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