Dunkle Reise
das Konklave freigemacht, und auf dem Podium gegenüber dem Eingang waren Stühle aufgestellt worden. Auf ihnen saß das Kollegium des Ordens – die Priorin in der Mitte, flankiert von ihren älteren Schwestern, die Amtsträgerinnen waren. Im rechten Winkel zu diesen saßen zu beiden Seiten die übrigen Schwestern, ungefähr fünfzig an der Zahl, alle in ihrem förmlichen Habit aus Kettenpanzer, weißem Übergewand, Kapuze. Alle anderen würden in der Stadt Ys oder in anderen Burgen oder über das Land verstreut sein. Dem Kollegium gegenüber standen die Laien, unter ihnen die Heilkundige, deren Namen ich noch immer nicht wusste, und Georghe Barras mit seinen Männern. Allen, denn früh am Morgen war das Gros seiner Truppe eingetroffen.
Silvus und ich kamen angekleidet, auf eigenen Füßen und aus eigener Kraft in den Saal. Zuerst wollten sie Arienne die Teilnahme verwehren, doch nachdem sie der Heilerin erklärt hatte, dass sie gehen würde, selbst wenn dies bedeutete, dass sie unterwegs sterben müsste, und angefangen hatte, die Decken von sich zu ziehen, hatte man eingelenkt. Nun wurde sie auf einer Bahre heruntergetragen, die Bahre im Saal auf zwei Schrägen gestellt und Arienne mit Kissen gestützt, dass sie eine halb sitzende Haltung einnehmen konnte. Silvus und ich marschierten in den Saal und stellten uns zu beiden Seiten neben ihr auf.
Die Versammlung hatte andere Fragen behandelt, als sie uns hereinriefen. Wir standen dem Kollegium gegenüber in der Mitte des Saales, flankiert von den Ordensschwestern und Barras und seinen Leuten hinter uns. Aus zwanzig Schritten Entfernung blickte ich Priorin Winterridge in die kühlen grünen Augen.
»Leutnant de Barras«, sagte sie in geschäftsmäßigem Ton, »erläutern Sie Ihre Anklage gegen diese Leute.«
»Priorin, es fällt nicht in die Zuständigkeit dieses Gerichts, sie zu hören, sondern in die des Fürsten. Sie sind seine Untertanen, und ihre Verbrechen wurden unter Bruch des Landfriedens auf seinem Territorium verübt. Ich erbat lediglich Ihre Amtshilfe zur Festnahme der Angeklagten, sodass sie in Tenabra vor Gericht gestellt werden können.«
Barras? Das war Georghe Barras? Er redete wie ein Anwalt. Ich sah mich nach ihm um. Er schien nicht verändert.
Priorin Winterridge richtete ihren Blick auf Silvus. »Was haben Sie dazu zu sagen, Ser de Castro?«
Silvus richtete sich auf. »Dass wir keines der Verbrechen schuldig sind, die uns vorgeworfen werden und den Orden ersuchen, uns Freistatt zu gewähren.«
Sie nickte. »Das Ersuchen um Freistatt liegt uns vor. Es ist Sache des Konklaves zu bestimmen, ob unsere Gesetze es erlauben. Wir werden Ihre Anklagen prüfen, Leutnant de Barras, und wenn wir es für gerecht und angemessen halten, werden wir Ihnen diese Leute übergeben.«
»Priorin, es ist keine gut nachbarliche Haltung dem Fürsten gegenüber, seine Justiz so in Zweifel zu ziehen. In jedem Fall genießt sein Gesetz Vorrang vor rein lokalen Jurisdiktionen. Sie würden gut beraten sein, ihm zu gehorchen.«
Die Priorin hob das Kinn. »Der Orden ist eine souveräne Macht, die mit den Fürsten der Welt als Gleichgestellter spricht. Unsere Gesetze sind nach dem Willen der Göttin – wie wir sie uns gegeben haben – und es steht Fürst Nathan nicht an, von uns zu fordern, dass wir sie beiseite setzen oder sein Missfallen erregen, wenn wir es nicht tun.«
Ein Gemurmel der Zustimmung kam von den Bänken, wo die Schwestern saßen. »Darum bringen Sie Ihre Anklage vor, Leutnant de Barras, und benennen Sie Ihre Zeugen.«
Es folgten zwei Stunden Fragen und Antworten, Anschuldigungen und Ableugnungen. Alles kam zur Sprache: Die vom Fürsten geplante Akademie für Zauberei, die erste Flucht, die Prügel, die wir bezogen hatten. Barras leugnete das, aber einer seiner Leute hatte ihm während dieser Verrichtung den Mantel gehalten und war gehört worden, als er mit der ›Abreibung‹ geprahlt hatte. Dann die zweite Flucht.
»Sie gingen zu den Kobolden!«, rief Barras triumphierend. »Sehen Sie sich ihre Waffen an, ihre Kleidung! Alles Arbeit der Kobolde!«
Die Priorin wandte den Blick zu einer der Schwestern neben sich. »Schwester Schatzmeisterin, wie viel haben wir den Unterirdischen in den vergangenen sechs Monaten für ihre Waren bezahlt?«
Die Schwester schaute auf eine Liste. »Einschließlich Warenaustausch zu Marktpreisen, Schwester Priorin?«
»Ja.«
»Sechstausendvierhundert und siebenundfünfzig Kronen, Schwester Priorin. Das schließt
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