Dunkle Reise
es für uns, wenn er triumphierend davonlief, um sich Barras anzuschließen? Die Lage schien kaum verändert. Barras würde uns trotzdem einholen oder unsere einzige Fluchtroute sperren. Wir hatten jetzt die gleiche Wahl, die wir gehabt hatten, bevor wir Grames umgebracht hatten: Weglaufen und gefangen werden; uns auf den Mooren und Heiden der westlichen Marken verlieren und verhungern oder erfrieren, wenn der Winter kam; stehen und kämpfen; kapitulieren. Das war es. Ich hatte ihn nicht töten müssen, er war wehrlos gewesen, und ich hatte nicht an Gerechtigkeit gedacht, als ich es getan hatte. Ich war in blinder Wut gewesen. Sein Blut klebte an meinen Händen.
Und es half auch nicht, wenn ich sagte, ich hätte eigentlich nicht gewollt, dass die Pferde ihn zu Tode trampelten; ich hätte ihn nur aufhalten wollen, damit wir ihn fangen könnten. Fangen und… was? Für seinen Verrat bestrafen. In meiner blinden Wut hatte ich Grames mit eigenen Händen in Stücke reißen wollen, und das war alles, woran ich gedacht hatte. Vergeltung für seine Perfidie. Welche Perfidie? Er war von Anfang an gegen uns gewesen, und seine Handlungsweise war zumindest mutig gewesen. Ich bezweifelte, dass ich den Verstand und die Nerven gehabt hätte, das zu versuchen, was er getan hatte. Und beinahe wäre er damit durchgekommen.
Tatsächlich war seine Strategie erfolgreich gewesen, wenn auch nicht für ihn. Wir waren erledigt, und er hatte uns erledigt. Barras kam mit jedem Tag näher.
Wir mussten Halt machen. Es war dunkel geworden. Alles war dunkel. Eine Tagereise weiter östlich war es noch dunkler; und sicherlich würde auch Georghe Halt gemacht haben müssen. Aber er konnte seine Reittiere pflegen, füttern und tränken und jeden Tag im ersten Licht aufsatteln und weiterreiten, bis der Abend zur Nacht wurde. Wir konnten es auch; aber unsere Pferde waren schlecht genährt und von geringerer Qualität. Wir verließen uns auf Grünfutter, was bedeutete, dass sie Zeit zum Grasen haben mussten. Wir hatten aber keine Zeit. Ich schätzte, dass Georghes gut genährte, leicht beladene Tiere unseren Vorsprung in einer Woche eingeholt haben würden. In dieser Zeit würden wir allenfalls die Hälfte der Strecke bis zum Pass zurücklegen. Und wenn wir die Pferde antrieben, bis sie zusammenbrachen, würde das Ergebnis das gleiche sein.
Silvus stapfte hinter uns her und führte zwei Pferde am Zügel. Eines der beiden, die Grames mitgenommen hatte, war in schlechtem Zustand, lahmte nach seinen Anstrengungen, und wir mussten es gehen lassen. Damit blieben uns drei. Barras hatte Ersatzpferde. Ein weiterer Grund, warum er uns einholen würde.
Wenigstens war er jetzt nicht in Bewegung. Inzwischen war es stockfinster. Auch wir würden im ersten Tageslicht aufbrechen und das Spiel bis zu seinem Ende weiter treiben. Es war das Beste, das wir tun konnten. Es war alles, was wir tun konnten.
Wir legten uns nieder. Ein Lagerfeuer hätte nicht geschadet und uns vielleicht aufgemuntert. Aber ich wollte nicht aufgemuntert sein. Ich wollte Arienne sagen, wie sehr ich bedauerte, was geschehen war, und sie um Vergebung bitten. Freilich hatte ich das ungute Gefühl, dass ich nicht zum zweiten Teil kommen würde, und so versuchte ich es nicht erst mit dem ersten. Ich machte auch kein Lagerfeuer. Offenbar war es mein Tag für schlechte Entscheidungen.
In der Nacht begann es zu regnen, und der Regen nahm an Stärke zu. Gewiss, das Bettzeug war wasserdicht, und wir konnten die Tarnstoffe über die Köpfe ziehen, sodass wir nicht nass wurden, aber es war trotzdem freudlos. Und meine Gedanken boten eine noch trübere Gesellschaft. Geradeso verhielt es sich mit meinen Träumen.
Der Morgen brach trüb, kalt und regnerisch an, aber wir waren mit dem ersten Morgengrauen auf und davon. Georghe natürlich auch, sobald sein Fährtenleser im ersten Licht die überwachsene Spur der alten Straße aufnehmen konnte.
Silvus führte die Pferde. Sie waren unwillig, aber wir konnten ihnen nicht mehr Zeit geben. Wir stapften im Regen dahin, ohne zu sprechen, jeder tief versunken in bitteren Gedanken. Ich fragte mich, was ich dem Gott der Gerechtigkeit sagen sollte, wenn ich Ihm begegnete. Angeblich verabscheute er Schwarze Magie und ihre Träger. Wie mochte er zu den Leuten stehen, die den beliebigen Magier in Versuchung gebracht hatten, sich dem Dunkel zuzuwenden. Nicht warm und positiv, vermutete ich.
Am regenverhangenen Osthorizont begann eben der Tag zu grauen. Die Nacht war
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