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Dunkle Verlockung (German Edition)

Dunkle Verlockung (German Edition)

Titel: Dunkle Verlockung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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Minuten später, als er sich gerade abwenden wollte, erblickte er ein Paar Flügel. Es waren nicht Nimras. Stirnrunzelnd stellte er sich so hin, dass er von unten nicht gesehen werden konnte, und beobachtete. Eine Minute später trat der Engel aus dem Schatten und blieb, den Blick auf Nimras Fenster gerichtet, einen langen, reglosen Augenblick lang stehen, ehe er weiterging.
    Interessant.
    Als keine weiteren Bewegungen mehr zu sehen waren, löste sich Noel vom Fenster und ging unter die Dusche. Er hatte den großen Mann schon vorhin im Audienzzimmer kurz gesehen. Der Engel hatte rechts neben Nimra gestanden, während sie sich mit einer Reihe wichtiger Gesuche befasst hatte. Es gab also keinen Zweifel daran, dass er zu ihrem engsten Kreis gehörte. Noel beschloss, im Laufe dieses Tages alles Weitere über ihn herauszufinden.
    Es war noch dunkel, als er aus der Dusche kam, aber er würde gewiss nicht wieder einschlafen können – und als Vampir kam er lange Zeit ohne Schlaf aus. Ein Teil von ihm wusste nicht einmal, warum er überhaupt diese Art von Erholung suchte. Selbst in den Nächten, in denen die Schreie ausblieben, hörte er das Lachen seiner Peiniger.
    Als Nimra am nächsten Morgen in den Garten kam, stellte sie fest, dass Noel schon vor ihr aufgewacht war. Er saß auf einer schmiedeeisernen Bank unter den Zweigen einer alten Zypresse und hatte den Blick auf das Wasser des Flusslaufs gerichtet. Dieser schlängelte sich durch ihre Ländereien, bevor er in einen größeren Nebenfluss mündete, der in den Bayou floss, einen sumpfigen Flussarm. Noel saß so regungslos da, dass es aussah, als sei er aus demselben Stein gehauen wie die mit seidigem Moos bewachsenen Felsen, die den Wasserlauf säumten.
    Weil sie den Wert der Stille kannte, ging Nimra leise weiter und wollte einen Weg einschlagen, der von ihm wegführte, doch in diesem Moment hob er den Kopf. Selbst über die Entfernung hinweg schlug das winterliche Blau seiner Augen sie in seinen Bann – Augen, von denen sie wusste, dass sie bei dem Angriff in der Zufluchtsstätte zerstört worden waren. Sein Gesicht war mit solcher Grausamkeit traktiert worden, dass man ihn nur anhand eines Ringes an einem seiner gebrochenen Finger wiedererkannt hatte.
    Kalter, gefährlicher Zorn durchfloss ihre Adern, doch sie behielt ihre Stimme ruhig. » Bonjour, Noel.« Zu beiden Seiten streiften ihre Flügel die gewellten weißen und rosa Blüten der wilden Azaleensträucher, und Tau fiel angenehm sacht auf ihre Federn.
    Noel stand auf. Er war ein großer Mann, der sich mit der Anmut eines Raubtiers bewegte. »Du stehst früh auf, Lady Nimra.«
    Und du , dachte Nimra, schläfst überhaupt nicht. »Geh ein Stück mit mir.«
    »Ist das ein Befehl?«
    Eindeutig ein Wolf. »Eine Bitte.«
    Schweigend gingen sie nebeneinander durch die Reihen der Blumen, die im dunstigen Licht des frühen Morgens schläfrig mit den Köpfen nickten und ihre Blütenblätter dem rotorangen Licht der aufgehenden Sonne entgegenreckten. Eigentlich war sie es gewohnt, im Freien ihre Flügel auszubreiten, doch heute ließ sie sie zusammengelegt und hielt einen kleinen Abstand zwischen sich und diesem Vampir, der so unglaublich verschlossen war, dass sie nicht anders konnte, als sich zu fragen, was sich unter seiner Oberfläche verbarg.
    Ein wehleidiges Miauen veranlasste sie, sich zu bücken und unter die Hecke zu blicken. »Da bist du ja, Mimosa.« Unter dem Dunkelgrün einer mit winzigen, leuchtend gelben Blüten besprenkelten Pflanze holte Nimra eine betagte Katze hervor. »Warum bist du denn schon so früh wach und munter?« Die Katze, deren graues Fell mit weißen Stellen übersät war, rieb ihren Kopf an Nimras Kinn, bevor sie es sich in deren Armen für ein Nickerchen gemütlich machte.
    Während die Engelsfrau mit der Hand durch Mimosas Fell strich, fiel ihr auf, dass Noel sie beobachtete, doch sie sagte nichts. Wie ein verwundetes Tier würde er nicht gut damit umgehen können, wenn sie ihn drängte. Er würde auf sie zugehen, wenn er so weit war – falls das je der Fall sein würde –, und zwar in seinem eigenen Tempo.
    »Diese buschigen Ohren«, sagte er schließlich mit einem Blick auf die ulkigen Quasten, die auf Mimosas ansonsten hübschem Kopf saßen. »Deshalb hast du sie Mimosa genannt.«
    Dass er es erraten hatte, entlockte ihr ein Lächeln. »Ja. Und weil sie, als ich sie das erste Mal sah, neben einer Mimose saß, mit der Pfote nach ihren Blättern schlug und immer einen Satz

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