Dunkle Verlockung (German Edition)
Himmels wanderte und der Duft von Jasmin in der Luft lag, saß sie neben diesem Mann, der ihr Mörder hätte sein können, und dachte mit Trauer an den Tag, an dem er nicht mehr mit ihr an diesem Seerosenteich sitzen würde, über dem die Libellen surrten.
Dieser Tag kam schneller als erwartet. Am nächsten Morgen wachte Fen einfach nicht mehr auf; mit einem friedlichen Lächeln auf dem Gesicht war er entschlafen. Sie ließ ihn mit höchsten Ehren in einem Grab neben seiner geliebten Frau beisetzen. Selbst Amariyah legte für diesen Tag ihre Feindseligkeit ab und benahm sich äußerst anmutig, wenngleich ihr Gesicht von Trauer gezeichnet war.
»Lebewohl«, sagte sie zu Nimra, nachdem Christian mit reiner und schöner Stimme ein tiefempfundenes Abschiedslied für einen Sterblichen gesungen hatte, der den Engeln ein guter Freund gewesen war.
Nimra blickte der Vampirin in die Augen, die denen ihres Vaters so ähnlich waren – und doch so anders. »Wenn du jemals irgendetwas brauchst, musst du es mich nur wissen lassen.«
Amariyah lächelte sie angespannt an. »Es gibt keinen Grund, sich zu verstellen. Er war die einzige Verbindung zwischen uns. Jetzt ist er nicht mehr da.« Mit diesen Worten wandte sie sich ab und ging, und Nimra wusste, dass sie Fens Tochter zum letzten Mal gesehen hatte. Es spielte keine Rolle. Sie hatte Vorsorge getroffen – Amariyah würde stets Freunde und Hilfe finden, wenn sie sie brauchte. Das hatte Nimra für Fen getan … für ihren Freund, dessen Weisheit kein Sterblicher hätte besitzen dürfen und der ihr nun nie wieder mit seinem Rat zur Seite stehen würde.
Eine große, raue Hand schob sich in ihre. »Komm mit«, sagte Noel. »Es ist Zeit, zu gehen.«
Erst, als er mit dem Daumen über ihre Wange strich, bemerkte sie, dass sie weinte. Ihr waren die Tränen gekommen, nachdem alle anderen das Grab verlassen hatten. »Er wird mir so unendlich fehlen, Noel.«
»Ich weiß.« Er strich über ihren Arm, legte ihr die Hand um die Schulter und zog sie an sich; sein Körper bildete einen sicheren Hafen für den Kummer, der in einem schmerzhaften Strom aus ihr hervorbrach.
In den Tagen nach Fens Tod fand Noel nach und nach heraus, wie viel der alte Mann wirklich für Nimra getan hatte. Obwohl er sich stets im Hintergrund gehalten hatte, war Fen doch das Zentrum aller politischen Aktivitäten gewesen, hatte gegenüber der vampirischen Einwohnerschaft von Louisiana Nimras Interessen vertreten und dafür gesorgt, dass das Gleichgewicht bei Hofe nicht aus den Fugen geriet. Als er fort war, begann eine Zeit der Unordnung, in der jeder seinen Platz in der neuen Konstellation zu finden versuchte.
Natürlich bemühte sich Christian, Fens Part zu übernehmen, doch es war von Anfang an klar, dass er zu hochmütig war, um die raffinierten politischen Spielchen zu spielen, die dieser mit solcher Leichtigkeit bewältigt hatte … und die Noel im Stillen abzuwickeln begann. Er war kein Politiker, aber er hatte kein Problem damit, seinen Rang hintanzustellen, um etwas durchzusetzen. Was sein Recht anging, überhaupt weiterhin am Hof zu bleiben, hatte er weder Nimra noch sonst jemanden um Erlaubnis gefragt.
Er hatte lediglich Dmitri angerufen und gesagt: »Ich bleibe.«
Der Vampir – mächtiger als alle anderen Vampire, die Noel kannte – war nicht gerade erfreut gewesen. »Du warst für den Einsatz im Turm eingeplant.«
»Plan mich wieder um.«
Schweigen. Dann düstere Erheiterung. »Wenn Nimra beschließt, dass du ihr zu viel Ärger machst, wartet hier eine Stelle auf dich.«
»Danke, aber das wird nicht nötig sein.« Selbst wenn Nimra versuchen sollte, ihn loszuwerden, würde Noel nichts davon wissen wollen. Im Augenblick war sie so furchtbar verwundbar, und da Fen ihre Geheimnisse nun nicht mehr vor jenen behüten konnte, die ihre Trauer ausnutzen würden, um ihr zu schaden, brauchte sie jemanden, der ihr den Rücken freihielt. Beruhigt begann er damit, genau das zu tun: die Mitglieder des Hofs, die alten wie die jungen, zu Nimras Vorteil einzusetzen.
Die schlaue, treue Asirani begriff es als Erste. »Ich habe die ganze Zeit gewusst, dass wir nicht den wahren Noel kennengelernt haben«, sagte sie mit einem Glitzern in den Augen, ehe sie ihm einen dünnen Ordner reichte. »Darum solltest du dich
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