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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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konnte irgendwo auf dem einsamen Highway ein Steuerbeamter auf Luke Casteel lauern, um ihn zu seinen Brüdern ins Gefängnis zu werfen.
    Ich war wieder mal draußen im Hof beim Wäschewaschen, während Fanny seilhüpfte und Vater Tom den Ball zuwarf, damit er ihn mit dem Schläger – Toms einziges Spielzeug und das Erbe aus Vaters Kindheit – zurückschlagen konnte.
    Keith und Unsere-Jane hingen an meinem Rocksaum und wollten mir helfen, die Wäsche aufzuhängen – aber beide reichten nicht bis zur Wäscheleine.
    »Fanny, warum hilfst du Heavenly nicht?« fragte Tom ärgerlich und warf mir dabei einen besorgten Blick zu.
    »Will nicht!« war Fannys Antwort.
    »Vater, warum sagst du Fanny nicht, sie soll Heavenly helfen?«
    Vater warf den Ball so fest, daß er Tom beinahe getroffen hätte. Dabei holte Tom mit dem Schläger weit aus, verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. »Kümmer dich nicht um Weiberarbeit«, sagte Vater und lachte barsch. Er ging auf die Hütte zu, gerade rechtzeitig, denn Sarah rief, daß das Essen fertig sei: »Essen kommen!«
    Schmerzgeplagt erhob Großmutter sich von ihrem Schaukelstuhl, und auch Großvater kämpfte sich von seinem hoch. »Alt zu werden ist schlimmer, als ich dachte«, stöhnte Großmutter, als sie endlich aufrecht stand. Sie wollte noch rechtzeitig, bevor alles aufgegessen war, an den Tisch kommen. Unsere-Jane stürzte auf sie zu, um sich von Großmutter an der Hand führen zu lassen. Das war so ziemlich das einzige, was Großmutter noch tun konnte. Sie stöhnte wieder. »Sterben ist wohl doch nicht so schlimm.«
    »Aufhören!« fuhr Vater sie an. »Ich komm’ nach Hause, um mir’s gutgehen zu lassen und nicht um ein Gejammer über Krankheit und Tod zu hören.« Nur wenige Minuten waren vergangen – Großmutter und Großvater hatten es sich gerade in ihren Stühlen bequem gemacht –, als Vater schon Sarahs stundenlang vorbereitete Mahlzeit verschlungen hatte, in den Hof eilte, auf den kleinen Lieferwagen sprang und sich auf und davon machte, Gott weiß wohin.
    Leise weinend stand Sarah an der Tür. Sie trug ein »neues«
    Kleid, daß sie aufgetrennt und anders zusammengenäht hatte, mit neuen Taschen und Ärmeln, aus Stoffresten zurechtgestückelt. Ihr frischgewaschenes Haar schimmerte im Mondschein in einem warmen roten Glanz und duftete nach dem letzten Fliederwasser, das sie besaß. Es war alles umsonst gewesen, denn die Mädchen in »Shirley’s Place« hatten echtes französisches Parfüm, richtiges Make-up und nicht nur Puder, wie Sarah ihn auf ihre glänzende Nase getupft hatte. Ich war fest entschlossen, weder eine zweite Sarah noch eine zweite Angel aus Atlanta zu werden. Ich nicht. Niemals.
    2. KAPITEL

    SCHULZEIT UND KIRCHGANG

    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Unsere-Jane groß genug war und mit uns nach Winnerrow in die erste Klasse gehen konnte. Aber in diesem Herbst war sie endlich sechs Jahre alt geworden, und nun sollte sie uns begleiten, auch wenn Tom und ich sie jeden Tag dorthin schleppen mußten. Und so war es auch, im wahrsten Sinne des Wortes: Wir schleiften sie hinter uns her, hielten ihre kleine Hand fest umklammert, damit sie uns ja nicht entkam und in die Hütte zurückrannte. Und wenn ich sie etwas zu schnell hinter mir herzog, ließ sie ihre Füße auf dem Boden schleifen, um sich dagegen zu wehren.
    Unsere-Jane war ein liebes und herzensgutes Kind, aber sie konnte einem mit ihrem ständigen Wimmern und dem dauernden Erbrechen, das einen ekligen, säuerlichen Geruch verbreitete, schon auf die Nerven gehen. Ich wollte sie gerade ausschimpfen, weil wir ihretwegen schon wieder zu spät kommen und alle in der Schule wegen unserer Unpünktlichkeit lachen würden. Unsere-Jane lächelte, streckte ihre schwachen Ärmchen nach mir aus, und meine Worte erstarben mir auf den Lippen. Ich hob sie hoch und bedeckte ihr hübsches Gesicht mit Küssen: »Geht’s besser, Unsere-Jane?«
    »Ja«, piepste sie, »aber ich geh’ nicht gerne. Tut meinen Füßen weh.«
    »Gib sie mir«, sagte Tom und nahm sie mir ab.
    Tom trug sie in den Armen und sah auf ihr kleines, hübsches Gesicht hinab, das sie vorsichtshalber schon verzogen hatte, um sofort loszuheulen, falls er sie wieder auf den Boden stellen sollte. »Du bist ‘ne kleine Puppe«, sagte Tom zu ihr und wandte sich dann mir zu. »Weißt du, Heavenly, auch wenn Vater das Geld nicht hat, euch ‘ne Puppe zu Weihnachten oder zum Geburtstag zu kaufen, dann habt ihr ja was Besseres an

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