Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
schon wegen der Orakelsprüche einer Wahrsagerin.
Er fuhr nach San Niccolò und hielt dort nach ihr Ausschau. Doch sie war nicht unter den Leuten. Die Fenster ihrer Wohnung standen weit offen, wie viele andere, um die Räume zu lüften. Als jemand ihm auf die Schulter klopfte, drehte er sich um. Es war Don Baldesi, der Casini noch spöttischer betrachtete als sonst.
»Guten Tag, Commissario.«
»Guten Tag …«
»Chicca ist zu ihren Eltern gegangen, um ein Bad zu nehmen und einen Happen zu essen.«
»Was sagen Sie da?«
»Sie müsste bald zurück sein.«
»Ach ja … wirklich eine nette junge Frau«, stotterte Casini.
»Sagen Sie mir jetzt nicht, dass Ihnen nicht mehr an ihr gefallen hat.«
»Nein, sicher nicht … Sie ist auch sehr intelligent.«
»Ich lade Sie zu einem Glas Wein ein, ich muss mich unbedingt aufwärmen.« Don Baldesi lächelte. Seite an Seite gingen sie bis zur Osteria Fuori Porta hinauf, bestellten zwei Glas Roten und setzten sich an ein Tischchen.«
»Staat und Kirche, die zusammen einen trinken …«, sagte Don Baldesi und hob sein Glas.
»Morgen steht das bestimmt in der Zeitung.« Jetzt lächelte auch der Kommissar.
»Kennen Sie den vom Papst, der die Pyramiden besucht?«
»Nein …«, antwortete Casini und wartete gespannt. In diesem Augenblick betrat Eleonora den Raum und kam auf ihren Tisch zu. Sie hatte sich die Haare gewaschen und roch nach Seife.
»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
»Ich weiß nicht … Was meinen Sie, Commissario?«
»Von mir aus …« Casini konnte seine Verlegenheit erfolgreich verbergen.
»Oh, welche Ehre«, meinte die junge Frau. Sie setzte sich und bestellte beim Wirt ein Glas Rotwein.
»Wie geht es mit deiner Wohnung voran?«, erkundigte sich Don Baldesi.
»Sie trocknet langsam, aber sie stinkt noch grässlich nach Heizöl. Ich werde wohl den Verputz von den Wänden kratzen müssen.« Sie zuckte resigniert mit den Schultern.
»Im Erdgeschoss wäre es schlimmer gewesen.«
»Wer hätte so etwas erwartet, einen Pegelstand von sechs Metern«, sagte Eleonora und dankte dem Wirt, der ihr den Wein gebracht hatte, mit einem Nicken. Leute kamen herein, um sich nach der morgendlichen Arbeit zu stärken, und hinterließen Schlammspuren auf dem Fußboden der Osteria. Casini spürte hin und wieder das Knie der jungen Frau, das seines leicht streifte, doch da er nicht wusste, ob dies Absicht war, bewegte er sich nicht. Er versuchte, sie nicht zu häufig anzuschauen, weil er fürchtete, dass man ihm dann alles anmerken würde. Schließlich erzählte Don Baldesi laut seinen Papstwitz und brachte den ganzen Raum zum Lachen. Der Geistliche legte zweihundert Lire für den Wein auf den Tisch, leerte sein Glas und stand auf.
»Ich werde jetzt die restlichen Möbel aus der Sakristei räumen«, sagte er. Dann strich er Eleonora väterlich über die Wange und ging.
»Er ist ein ganz besonderer Pfarrer«, meinte sie.
»Das habe ich bemerkt.«
»Glauben Sie an Gott?«
»Das habe ich nie herausgefunden … Und Sie?«
»Mal ja, mal nein, das kommt ganz auf den Tag an«, sagte die junge Frau mit einem leisen Lächeln.
»So etwas habe ich ja noch nie gehört«, gestand der Kommissar; und wieder spürte er, wie ihr Knie seines streifte. Die junge Frau starrte in die Luft.
»Das ist ein bisschen wie mit der Liebe. An einem Tag glaube ich, ich hätte den Mann meines Lebens gefunden, und am nächsten Morgen ist er mir vollkommen gleichgültig.«
»O wie so trügerisch sind Weiberherzen«, zitierte der Kommissar, dem diese Bemerkung einen Stich in den Magen versetzt hatte.
»Männer pflegen seit Urzeiten schlecht über die Frauen zu sprechen, weil sie Angst vor ihnen haben.«
»Nichts wahrer als das«, gab Casini zu. Ihn bezauberte jede Einzelheit an ihr, selbst wie sich ihre Lippen beim Sprechen bewegten.
»Heute Nacht habe ich sehr schlecht geschlafen«, sagte die junge Frau.
»Das tut mir leid.« O Gott, da hatte er ja etwas Tiefschürfendes gesagt. Er musste versuchen, ein wenig origineller zu sein, wenn er sie wenigstens neugierig machen wollte.
»Ich hatte einen grässlichen Albtraum …«
»Dass es auf einmal keinen Mann mehr gab, der Sie umschwärmte?«
»Oh, das wäre dann ja wohl eher eine Erleichterung.«
»Vielleicht eine Woche lang, aber danach würden Sie bestimmt weinen.«
»Ach was …«
»Und was haben Sie geträumt?«, fragte Casini neugierig.
»Sie kamen auch in dem Albtraum vor.«
»Ich?«
»Das hat mich auch überrascht, schließlich
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