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Dunkle Wasser

Dunkle Wasser

Titel: Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jane Beaufrand
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Psychiaters. (Wie sich das anhört, wusste ich leider genau, vom Warten auf meinen Dad.)
    Nein, das Weinen kam von woanders.
    Ich erreichte das Haus, vor dem das
Kid for Sale
-Schild stand, und das Weinen wurde lauter. Wir waren schon mal an dem Haus vorbeigefahren. Ich wusste, dass mit dem Schild Ziegenkitze gemeint waren und nicht die Kinder, die im Vorgarten Trampolin sprangen.
    Doch an dem Tag saß eins der Mädchen neben dem Trampolin auf der Schotterauffahrt und heulte. Sie war es also, die ich gehört hatte.
    Ich verlangsamte mein Tempo und lief zu ihr hin. Sie saß zusammengesunken mit dem Rücken zu mir da. Sonst warniemand zu sehen. »Dir fehlt doch nichts, oder?«, sagte ich, eher zu mir selbst als zu ihr. Stehen bleiben wollte ich nicht, ich wollte weiterlaufen. Ich hatte keine Lust, meine Nachbarn kennenzulernen.
    Da wandte sich das kleine Mädchen heulend um, und ich sah, dass ihre Stirn voller Blut und Schotter war. Das Blut lief ihr über die Wangen und in die Augen.
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wusste nur, dass ich nicht tatenlos herumstehen konnte. »Warte hier«, sagte ich zu ihr. »Ich hol Hilfe.«
    Ich rannte die Auffahrt zu dem roten Häuschen hoch. Die Tür stand offen und ich klopfte leise an. Drinnen räumte eine kleine Frau mit blonden Haaren gerade Lebensmittel in die Schränke (Dosentomaten, Dosenbohnen, Dosenchampignons – Mom hätte einen Anfall gekriegt. Für Bohnen aus der Dose hätte sie wahrscheinlich noch Verständnis, aber Champignons aus der Dose schmeckten wie Gummi, fand sie).
    »Entschuldigung«, sagte ich.
    Die Frau drehte sich zu mir um. Ihr schmales Gesicht wirkte ausgezehrt und blickte ein wenig erschrocken drein, so als ahnte sie schon, was ich sagen wollte.
    »Ich glaube, Ihre kleine Tochter ist vom Trampolin gefallen.«
    Sie legte eine Dose auf die Ablage und merkte nicht einmal, wie sie ins Spülbecken rollte.
    »Ist es schlimm?«, fragte sie und rannte an mir vorbei zur Tür hinaus.
    »Vielleicht nur eine Platzwunde im Gesicht«, sagte ich und wusste im selben Moment, dass das nicht gerade beruhigend klang.
    Als wir bei dem immer noch heulenden Mädchen ankamen, fasste die Mutter ihre Tochter unter die Arme und hob sie auf die Füße. »Lass mich mal sehen«, sagte sie und schob ihr den Pony aus der Stirn. Die Haare waren verklebt und lösten sich nur schwer. Das Kind schrie. »Na komm, meine Kleine«, sagte die Mutter, deren Gesicht kreidebleich war vor Angst, auch wenn ihre Stimme ruhig und zuversichtlich klang. »Was würde Sacagawea machen?«
    Das war anscheinend die Zauberformel. Das zu kreischendem Gebrüll angeschwollene Weinen ließ nach und wurde zu einem Schniefen. Dann liefen die beiden ohne ein Wort zu mir die Auffahrt hinauf.
Klatsch!
Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss, und ich konnte sehen, wo ich blieb.
    Ich joggte nicht gleich wieder los, sondern stand einen Augenblick nur da, an das
Kid for Sale
-Schild gelehnt, und fühlte mich, als wäre ich gerade von einem Elektroschocker getroffen worden. Hinter mir mümmelten kleine Ziegen am kurzen, spärlichen Gras. Was war denn das gewesen? Beim Joggen passierte sonst nie etwas. Ich war unsichtbar und das gefiel mir. Ich musste kein Lächeln aufsetzen für Gäste oder – noch schlimmer – für Eltern, die das Gefühl brauchten, dass ich mit dem Umzug klarkam, obwohl es nicht so war.
    Als ich in der Woche darauf wieder an dem Haus vorbeilief, war das Trampolin nicht mehr da und neben demSchild stand ein Mann. Er trug schwere Arbeitsschuhe mit Farbspritzern und ein kariertes Flanellhemd mit aufgekrempelten Ärmeln. Er sah aus wie ein netter, erfahrener Holzfäller, einer von der Sorte, die einem Wolf den Bauch aufschneiden können oder Mitleid mit einer verirrten, schluchzenden Prinzessin haben und ihr
nicht
das Herz herausschneiden.
    »Hallo«, sagte er. »Ted Armstrong.«
    Er hielt mir einen großen weißen Farbeimer entgegen.
    Ich war mir ziemlich sicher, dass er nicht mich meinte, aber sonst war niemand da. Bloß ein Alpaka, das auf der Weide gegenüber stand und mit ausladenden Kieferbewegungen gegen den Uhrzeigersinn Heu malmte.
    Ich nahm den Eimer, in dem frisch gepflückte Heidelbeeren lagen und einen herb-süßen Duft verströmten. Mom würde ausflippen, wenn sie die Beeren sähe, und sie mit Pfirsichen oder Rhabarber zu Streuselkuchen verarbeiten oder mit Blätterteig überbacken.
    Während ich noch die Beeren begutachtete, sah der Mann auf seine Armbanduhr. »Du bist spät dran,

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