Dunkle Wolken über den Schären: Mittsommerträume (German Edition)
sorgen, dass schon bald alle Welt Ihren Namen kennt. Und daran dürfte Ihnen kaum gelegen sein, nicht wahr? Was auch immer Sie verbergen, wird nicht länger geheim bleiben, wenn Sie nicht genau das tun, was ich sage. Also, dies ist meine letzte Warnung: Verkaufen Sie mir Ihr Grundstück, und ich werde Sie nicht länger behelligen. Sollten Sie sich aber weiterhin weigern …”
Olof Lindh ließ die Drohung unausgesprochen in der Luft hängen und unterbrach die Leitung.
Magnus atmete tief durch. Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, was da gerade passiert war. Was wusste Lindh, und von wem bezog er seine Informationen? Besaß er tatsächlich genügend Einfluss, um Magnus’ Romanze mit Jenny so weit aufzubauschen, dass sein Bild in die überregionale Presse gelangte?
Sosehr er auch darüber nachdachte, er kam doch immer wieder zu ein und demselben Ergebnis: Lindh mochte keine Details kennen, aber was er wusste, reichte aus, um ihn in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen.
Und wem hatte er das alles zu verdanken? Ausgerechnet der Person, von der er nicht glauben wollte, dass sie dazu fähig war, ihn derart zu hintergehen.
Jenny.
Aber konnten diese Bilder tatsächlich ohne ihr Wissen entstanden sein? Er schaute sie sich noch einmal an, dann fiel sein Blick in den Spiegel, der über der Kommode in der Diele hing.
Du verdammter Dummkopf hast dich wieder zum Narren halten lassen!
Mit einem wütenden Knurren schleuderte er die Fotos seinem Spiegelbild entgegen und wandte sich ab.
Jennys Apartment befand sich mitten im Herzen von Lillebom. Es lag in einer engen kleinen Seitenstraße, die vom Marktplatz des kleinen Küstenortes abging. Von ihrem Balkon aus, auf dem in Pflanzenkästen Herbstblumen in üppiger Pracht blühten, hatte sie einen herrlichen Ausblick bis hinunter zum Hafen und somit auf die ein- und auslaufenden Fischerboote. Doch ihre ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf den hölzernen Bilderrahmen, der auf ihrem Schoß lag.
Die Fotografie zeigte einen jungen Mann Ende zwanzig. Sein schmales Gesicht war leicht sonnengebräunt, was das strahlende Blau seiner Augen noch deutlicher zum Vorschein brachte. Sein braunes Haar sah ein wenig zerzaust aus. Das war immer so gewesen, es hatte sich einfach nicht bändigen lassen. Aber was jedem als Erstes auffiel, der ihn sah, war sein Lächeln.
In dieses Lächeln hatte Jenny sich damals auf den ersten Blick verliebt. Ganz ähnlich verhielt es sich jetzt bei Magnus. Und obwohl sie ihn vor gerade einmal achtundvierzig Stunden zum letzten Mal gesehen hatte, empfand sie die Sehnsucht nach ihm als beinahe übermächtig. Die vergangenen zwei Tage ohne ihn waren ihr wie eine Ewigkeit erschienen.
Ein Seufzen entrang sich ihrer Kehle, und sie fuhr sich mit der Hand über die Augen.
Ach, Torben, so sag mir doch, was soll ich jetzt tun?
Natürlich erhielt sie keine Antwort. Torben war tot. Sie würde nie wieder mit ihm sprechen, ihn nie wieder berühren können. Und das alles nur durch ihre eigene Schuld. Wäre sie nicht in Panik geraten …
Sie schüttelte den Kopf, doch die Geister der Vergangenheit ließen sich nicht so leicht vertreiben. Auch wenn sie jetzt für einen kurzen Moment schweigen mochten, kehrten sie doch immer wieder zurück.
In den vergangenen Tagen hatte sie überraschenderweise kaum einmal an Torben gedacht. Sie war glücklich gewesen, so glücklich wie schon seit vielen Jahren nicht mehr. Zugleich fühlte sie sich aber auch genau deswegen schuldig. Es erschien ihr nicht richtig, dass sie sich mit Magnus amüsierte. Und jetzt hatte sie auch noch mit ihm geschlafen.
Es brachte nichts, sich einreden zu wollen, dass es ihr nicht gefallen hätte. Nein! Sie hatte es mit jeder Faser ihres Körpers genossen, und allein der Gedanke an Magnus ließ Sehnsucht in ihr aufsteigen.
Doch wie konnte das sein? Sie liebte doch Torben!
Das Schrillen der Türklingel ließ Jenny zusammenzucken. Für einen Moment überlegte sie, einfach nicht zu öffnen. Sie war nicht in der Stimmung für Besuch.
Schließlich aber stand sie doch auf. Vor der Tür stand Anni-Frid.
“Hej”
, rief sie gut gelaunt und drängte sich sogleich an Jenny vorbei in die Wohnung. “Ich war gerade in der Nähe und dachte, ich schau einmal bei dir herein. Wie hat dir der Ausflug im Heißluftballon gefallen? War es so schön, wie du es dir vorgestellt hast?”
“Ja, es war schön. Setz dich doch.”
“Sag mal, ist was?” Ihre Freundin musterte sie skeptisch. “Ehrlich gesagt klingst du
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