Dunkler Engel
heißen oder sich mit ihm im Heu zu vergnügen. Er hatte sogar verschiedene Male das Gefühl gehabt, verliebt zu sein. Besonders in eine Frau ... Aber er hatte nie geheiratet oder war in die Versuchung geführt worden. Der Krieg war sein wahrer Begleiter. Derek war den Tempelrittern mit sechzehn Jahren beigetreten und im Alter von sechsundzwanzig gestorben. Das Kämpfen hatte Derek nicht viel Zeit gelassen, sich um Liebesangelegenheiten zu kümmern. Seine Liebe war das Schlachtfeld, der Ruhm des Sieges für sich selbst und die Ritterschaft.
Frauen waren für ihn reizende, flatterhafte Geschöpfe, die Launen und Wutanfällen ausgesetzt sind, aber kaum akzeptabel. So wie Kinder waren sie nicht in der Lage, sich auf irgendwelche ernsthaften Angelegenheiten zu konzentrieren, und deshalb mussten die Männer das Denken für sie übernehmen. Derek entschied, dass er dieser Rachel Duncan wie einem Kind gegenübertreten würde.
In dem Zimmer schüttelte der Erzengel seinen Kopf. »Ich habe wegen dieser Sache ein komisches Gefühl, William.«
»Sir Derek muss natürlich in die Welt des einundzwanzigsten Jahrhunderts eingeführt werden«, sagte William.
»Offensichtlich«, erwiderte Michael trocken. »Ich habe dabei aber große Bedenken. Man kann den Mann aus dem vierzehnten Jahrhundert herausholen, aber ich bin nicht sicher, ob man das vierzehnte Jahrhundert aus ihm herausholen kann.«
»Er wird ja nicht lange auf der Erde sein«, sagte William. »Und ich werde auch da sein, um ein Auge auf ihn zu werfen.«
»Irgendwie mag mir das alles nicht so recht gefallen«, sagte der Erzengel Michael.
»Vielleicht wird dieses Experiment am Ende sein Herz für Gott öffnen«, sagte William.
»Oder vielleicht werden wir ihn dadurch ganz verlieren«, sagte Michael grimmig. »Derek de Molay hat sich bisher immer an der Grenze zwischen Gut und Böse bewegt. Das könnte ihn auch veranlassen überzulaufen.«
»Ich habe Vertrauen«, sagte William lächelnd.
»Ohne das wärst du auch ein schlechter Engel«, konterte Michael in bissigem Ton.
»Dann kann ich also weitermachen? Habe ich deinen Segen?«
»Ja«, sagte der Erzengel und fügte mit einem tiefen Seufzer hinzu:
»Ich habe das Gefühl, dass du ihn brauchen wirst.«
»Ich gehe eben, um ihm das zu erzählen«, sagte William zufrieden.
Er ging aus dem Himmel hinaus in das Vorzimmer und ließ das Tor hinter sich offen.
Michael bat Sampson mit einem leidgeprüften Seufzer, es zu schließen. Als der Cherub gegangen und Michael allein war, sah er sich noch einmal die Pläne an. William wurde in einer wichtigen Mission zur Erde geschickt, ein freundlicher Engel von einfacher Gesinnung, dessen Heiligenschein mehr als nur ein bisschen trübe war. Und er sollte einen rebellischen Ritter bewachen, der für seine Arroganz bekannt war und bereits mit einem Fuß in der Hölle gestanden hatte.
Michael lächelte zufrieden in sich hinein. Die Dinge liefen ganz nach Plan.
ZWEI
Warte auf ihn ... Warte auf ihn ... Rachel sah zu, wie der Ball in die Maschine fiel. Sie presste den Aluminiumschläger zwischen die Finger, während sie sich auf ihre Atmung konzentrierte und die Augen auf den Ball richtete. Dann ging sie in Position. Der Ball schoss wie eine Kanonenkugel aus der Maschine, und Rachel war bereit. Sie nahm Schwung und traf den Baseball genau in der Mitte. Super Schlag!
Das wäre ein schneller flacher Ball gewesen, Baby! Den hätte niemand bekommen, sagte sie sich.
Das Witzige war, dass Rachel Baseball gar nicht mochte. Sie war noch nie bei einem Spiel der Sox gewesen. Sie konnte sich für die Jungs einfach nicht begeistern. Ihr Job war in der letzten Zeit ungewöhnlich stressreich, und sie musste einfach ein bisschen Dampf ablassen. Stress war ein Teil des Jobs bei der Chicago Mercantile Exchange, kurz Merc, wo Börsenmakler in Sekunden Millionen machen oder in derselben Zeit Millionen verlieren konnten. Alles verlieren: Haus, Auto, Zukunft, selbst ihr Leben. Für einige war Selbstmord der einzige Ausweg, der Schande und dem Ruin zu entkommen. Und das alles konnte im Bruchteil einer Sekunde passieren.
Die Börsenmakler an der Merc gingen auf unterschiedliche Art und Weise mit Stress um. Einige genehmigten sich nach der Arbeit ein paar Drinks. Aber die Sauferei benebelte ihre Hirne und ließ sie außer Kontrolle geraten.
Rachel konnte das nicht leiden. Sie war stolz darauf, ihr Leben unter Kontrolle zu haben. Na ja, den größten Teil ihres Lebens. Den Karriere-Teil ihres Lebens.
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