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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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in meine Auffahrt ein und stieg aus. Er hatte ein liniertes Blatt, das offenbar von einem Notizblock stammte, in der Hand. Seine mexikanische Freundin blieb im Wagen sitzen.
    »Stimmt was nicht, Bunny?« fragte ich.
    »Ich bin zu Lucas’ Haus gefahren. Weil ich mich entschuldigen wollte, daß ich bei dieser Kuhscheiße-Aktion beim Country Club mitgemacht habe. Es war aber niemand daheim. Das Motorrad, die Indian, die er gekriegt hat, war auch weg. Den Zettel hier hab ich zusammengeknüllt auf der Veranda gefunden.«
    Ich strich ihn auf Bunnys Motorhaube glatt. Die Nachricht war mit Bleistift geschrieben und sah aus, als stamme sie von einem Kind.
    Lucas,
    wir haben einen neuen Namen für dich. Babyscheiß. Für den Fall, daß du nicht weißt, warum: Babyscheiß ist schmierig. Du hast vor Gericht alle dazu gebracht, daß sie dich bedauern, weil du keine Eltern hast. Willst du die Wahrheit wissen? Du hast keine Eltern, weil dich keiner haben will. Babyscheiß wird abgewischt. Den zieht man nicht auf.
    Ich habe dir mein altes Motorrad gegeben, und du hast mich verpetzt. Ich hab gedacht, daß du vielleicht mit uns rumziehen könntest, aber du hast die Aufnahmeprüfung draußen beim Country Club versaut. Jetzt gibt’s für dich bloß einen Ausweg, Babyscheiß. Vielleicht kannst du beweisen, daß du doch keine feige Fotze bist. Bring mir um sechs meine Maschine raus zu den Rim Rocks. Ich bin jedenfalls da, weil ich nämlich nicht meinen alten Herrn vorschicken muß, wenn’s was zu regeln gibt.
    Du meinst also, daß Roseanne ein prima Mädchen war? Na klar war die prima. Da drunten, weiter hinten, wo du nicht rangekommen bist.
     
    Die Nachricht war nicht unterschrieben.
    »Die Rim Rocks?« fragte ich.
    »Es gibt einen Waldweg, der rauf zu den Klippen führt. Etwa zwei Meilen flußaufwärts von der Hart-Ranch«, sagte er.
    »Das Stahlseil«, sagte ich.
    »Was?« fragte er und reckte den Kopf in den Wind, als ob sich dort des Rätsels Lösung verberge.
    Ich bog in die Auffahrt der Vanzandts ein. Bunny und seine Freundin hielten am Straßenrand, stiegen aber nicht aus. Die Sonne war hinter dem Haus untergegangen, und die Kiefern im Vorgarten wirkten wie in Feuer gehüllt, doch die Stämme lagen bereits in tiefer Dunkelheit. Oben auf der Veranda sah ich Jack und Emma, die in Liegestühlen saßen und ein Tablett mit diversen Gläsern zwischen sich stehen hatten.
    So gehen sie also damit um, dachte ich. Mit Schnaps und Pillen, und wenn das nichts nützt, schieben sie sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Warum auch nicht? Sie lebten in einer Welt, in der man einander benutzte und in der Geld gleichbedeutend mit gutem Gewissen war. Vielleicht glaubten sie, sie würden durch die Bürde, die sie mit ihrem mißratenen Sohn zu tragen hatten, von sämtlichen Sünden befreit, oder aber sie waren davon überzeugt, daß sie nur die Sündenböcke für die Faulenzer und Unfähigen waren, die von sich aus auf keinen grünen Zweig kamen und folglich alle anderen verachteten und ihnen ihren Reichtum neideten.
    Jack stand auf, als ich auf die Veranda zuging. Er trug ein kanariengelbes Sporthemd, eine weiße Hose mit Westerngürtel und auf Hochglanz polierte Cowboystiefel, und er wirkte gefaßt wie ein geschlagener Krieger, dem der Sieg nur durch schieres Pech und unglückliche Umstände verwehrt wurde.
    »Ich würde Sie ja gern auf einen Drink einladen, Billy Bob, aber ich nehme an, daß Sie etwas anderes von uns wollen«, sagte er.
    Emma zündete sich mit einem goldenen Feuerzeug eine Zigarette an, tippte mit ihren langen roten Fingernägeln langsam auf die Armlehne des Liegestuhls und tat so, als wäre ich Luft.
    »Ist Darl da?« fragte ich.
    »Nein, er ist mit seinen Freunden ins Kino gegangen«, sagte Jack.
    »Heute morgen hat er sich Muntermacher mit Rotwein reingezogen. Und heute abend soll er im Kino sitzen und Popcorn mampfen?« erwiderte ich.
    »Was, um Himmels willen, wollen Sie damit andeuten?« fragte Emma.
    »Dieses ganze Zeug, die Muntermacher, die Kaptas, das Speed, die Black Beauties und wie sie alle heißen mögen, die verhunzen einem das Hirn«, sagte ich.
    »Sie sollten besser gehen«, entgegnete Jack.
    Ich reichte ihm die Notiz, die Darl bei Lucas auf der Veranda hinterlassen hatte.
    Er hielt sie an der Hand, zog sie mit der anderen glatt und stellte sich breitbeinig hin, wie ein Seemann, der die nächste Woge erwartet.
    »Die ist ja nicht mal unterschrieben«, sagte er.
    »Wozu hat sich Ihr Sohn bei einer

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