Liebe mich! Liebe mich!
1. KAPITEL
Noch nicht einmal auf eine Samenbank kann frau sich heutzutage verlassen! dachte Robin Medford und stopfte die neueste Ausgabe des
England Journal of Medicine
in ihren Lederrucksack. Dann sah sie aus dem Fenster des kleinen Wasserflugzeugs, das Kurs auf Forever nahm. Wie üblich überflog der Pilot die kleine Stadt, die zwischen einem bewaldeten Berghang und dem träge dahinfließenden Fluss lag, der der Stadt den Namen gegeben hatte. Robin konnte die Fahnen auf dem Rathaus sehen, die in der Nachmittagsbrise flatterten.
Sie lehnte sich seufzend in ihrem Sitz zurück. Erstaunlich, wie viele Fehler auch heute noch in der Reproduktionsmedizin gemacht wurden, sofern man dem Artikel in der medizinischen Fachzeitschrift glauben durfte. Da konnte man es ja direkt mit der Angst bekommen.
In den letzten drei Tagen hatte Robin sich intensiv mit diesem Thema befasst und war jetzt mehr denn je davon überzeugt, dass das für sie nicht der richtige Weg war. Das schränkte ihre Möglichkeiten, ein Kind zu bekommen, zwar ein, änderte aber nichts an ihrem Plan.
Dann musste sie eben auf die altmodische Art und Weise schwanger werden. Sie musste irgendeinen vielversprechenden Mann finden, sich genau ihre empfängnisbereite Zeit ausrechnen und dann mit ihm schlafen. Das sollte eigentlich nicht zu schwierig sein.
Damals vor zwei Jahren mit Juan Carlos in dem Basislager, kurz vor ihrem Aufstieg auf den Edelrich in den Schweizer Alpen, hatte es ja auch ganz gut geklappt, wenn die Erfahrung auch nicht gerade umwerfend gewesen war. Ehrlich gesagt waren ihre Recherchen zum Thema “Fortpflanzung” sehr viel aufregender gewesen als der Sex mit Juan.
Warum sollte sie wegen eines Babys nicht noch einmal mit einem Mann schlafen? Natürlich nicht mit Juan. Zum einen lebte er am anderen Ende der Welt, zum anderen war er viel zu eingebildet und würde womöglich glauben, dass sie ihn doch liebte, wenn sie wieder bei ihm auftauchte.
Der Pilot flog eine letzte Schleife, ging herunter und landete auf dem Fluss. In Gedanken machte Robin die Landung mit, denn sie hatte einen Flugschein für die kleine Beaver. Aber sie war schon lange nicht mehr geflogen, und noch länger war sie nicht mehr in der kleinen Stadt gewesen, in der sie aufgewachsen war.
Fünfzehn Jahre war es her, dass sie die Schule und die kleine Stadt verlassen hatte, um ein aufregenderes Leben kennenzulernen. Sie war entschlossen gewesen, nicht in der Einöde dreihundert Meilen nördlich des Alaska Highway zu versauern.
Und was sie sich vorgenommen hatte, hatte sie auch erreicht. Sie hatte eine Menge von der Welt gesehen und beruflich viel Erfolg gehabt. In gewisser Weise schloss sich nun der Kreis, indem sie wieder nach Hause kam.
Schnell nahm Robin die Ohrschützer ab und strich sich das lange Haar zurück. Die kleine Maschine glitt auf dem Wasser dahin und näherte sich jetzt dem Anleger.
Forever. Die Stadt war von Bergleuten gegründet worden und hatte später mit dem Tourismus ihr Geld verdient. Außerdem stellte man in Forever Möbel aus dem Holz einer berühmten Birkenart her, die in den nahe gelegenen Bergen wuchs. Die Straßen sahen immer noch staubig aus und die Häuser verwittert. Eintausendneunhundertfünfzig Menschen lebten in Forever, geprägt von der Abgeschiedenheit und der sie umgebenden Wildnis.
Das Flugzeug stieß jetzt gegen den mit Gummireifen abgefederten Anleger und Robin löste den Anschnallgurt. Die Tür wurde aufgestoßen und Robin bereitete sich innerlich auf den Ansturm der Mücken und Fliegen vor. Sie war überrascht, wie sehr sie sich freute, die kleine Stadt wiederzusehen. Was für ein Gesicht ihre Großmutter wohl machen würde, wenn ihre Enkelin plötzlich vor ihr stand? Ihre Großmutter wurde fünfundsiebzig, und alle Kinder und Enkelkinder würden an ihrem Ehrentag da sein.
Fünf Tage würde Robin in Forever bei ihrer Familie bleiben, dann musste sie ihren neuen Job bei Wild Ones Tours in Toronto antreten. Sie freute sich auf diese fünf Tage, war aber sicher, dass sie das verschlafene Nest nach den fünf Tagen auch gern wieder hinter sich lassen würde.
Forever lag wirklich sehr isoliert und war über eine Straße nicht zu erreichen. Die Einwohner benutzten entweder Boote oder Wasserflugzeuge als Verkehrsmittel – oder sie blieben, wo sie waren. Es gab keinen Flugplatz und keine Eisenbahn.
Robin lächelte kurz. Fünf Tage waren wirklich mehr als genug. Denn sie hatte ja ganz bestimmte Pläne, und dafür musste sie unter
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